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Grünkern statt Grünkohl

■ Seminar soll KantinenbesitzerInnen in Vollwertverpflegung weiterbilden / Bisher sind die Erfahrungen mit Müsli und Co noch gering / Einkauf schwierig

Charlottenburg. Trotz der Gesundheitswelle in den letzten zehn Jahren enthält die Ernährung bei den meisten Menschen noch immer viel zu viel Zucker, Fett und Salz. Dies haben Dr. Renate Rhein von der TU und Rolf-Jürgen Graf vom Studentenwerk auf die Idee gebracht, ein Seminar für Charlottenburger Kantinenbesitzer anzubieten, in der die Grundzüge der Vollwerternährung vermittelt werden sollen: „Gerade Kantinen sind eine wichtige Stelle, in der Ernährung vermittelt wird.“ Man müsse ein gesamtökologisches Bewußtsein in Gang setzen“, so Rhein.

Rund 25 KantinenbesitzerInnen waren Freitag abend zu einem ersten Informationsgespräch in die TU gekommen. Teilweise hatten sie bereits Erfahrung mit dem Angebot von Vollwertkost gemacht. In der TU-Mensa wird die Vollwertkost seit zehn Jahren alternativ angeboten und mittlerweile von 30 Prozent der Gäste ausgewählt. Die Kantinenbesitzerin Roman Hohenspein (Evangelisches Bildungswerk Charlottenburg) hat seit einem Jahr Erfahrungen mit der alternativen Ernährung gemacht: Doch „viele Leute wollen die Vollwertkost nicht“, und diese sei auch teurer und mache mehr Arbeit bei der Zubereitung. Zudem kritisierte sie, daß die Vollwertverpflegung bei ihr kein Bestandteil der Berufsausbildung gewesen sei: „Wir sind ja alle noch Anfänger in diesem Bereich.“

Diesen Problemen will das Seminar entgegenwirken. In Vorträgen von prominenten Köchen, Ernährungsphysiologen und Wirtschaftswissenschaftlern soll dargestellt werden, wie Naturkost in der Gemeinschaftsverpflegung angeboten werden kann. Die Seminare beinhalten neben den reinen „Kochrezepten“ auch die Kostenkalkulation und den Einkauf der Waren. Gerade bei Problemen mit dem Einkauf der Vollwertzutaten kann schnell geholfen werden: „Wir geben die zehnjährige Erfahrung der TU gerne weiter“, sagte TU -Kantinenleiter Graf. „Unsere Flops müssen Sie nicht nochmal machen.“

Wichtiger Bestandteil des Seminars ist auch, wie die Kantinengäste von der gesunden Ernährung überzeugt werden können: „Den Leuten muß vermittelt werden, daß es sinnvoll ist“, so Graf. Dabei sei das Ambiente in der Kantine entscheidend. „Heute ist die Selbstbestätigung im Betrieb nicht mehr gegeben und der Frust wird in der Kantine ausgelassen.“

Für die Zukunft wünscht sich Rhein, daß jede Kantine zumindest eine Salatbar anbiete und alternativ zur bisherigen Auswahl auch eine Vollwertkost bereitstellt. Zudem sollte sich auch bei der Zubereitung von „normalen“ Gerichten einiges ändern: Die Fleischportionen seien beispielsweise viel zu groß. Man müsse sich immer vor Augen halten, daß zur Produktion einer Fleischkalorie acht Getreidekalorien notwendig seien.

Interesse fand das Seminar auch bei der Kantinenleitung der Berliner Müllabfuhr: Der Bedarf an Weiterbildung sei sehr hoch und bei der Zusammenlegung der Ost- und Westberliner Müllabfuhr ergäben sich auch im Kantinenbereich noch „ungeheure Informationslücken“.

Rochus Görgen

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