Grüner über Extremismus bei Polizei: „Sensibilität ist gefordert“
Die Grünen-Fraktion fordert, verfassungsfeindliche Einstellungen in der Polizei zu dokumentieren. Warum, erläutert Innenpolitiker Benedikt Lux.
taz: Herr Lux, Extremismusverdacht bei der Polizei wird bisher nicht erfasst. Aus Sicht der Grünen muss sich das ändern. Warum?
Benedikt Lux: Alle rechtsextremen Verdachtsfälle bei der Polizei wurden in der Regel von Medien aufgedeckt. Und: weil rechtsextremistische Netzwerke wie „Hannibal“ und „Uniter“ natürlich auch um Polizisten werben.
Geht es nur um Rechtsextremismus?
Nein, aber mir ist kein Fall bekannt, wo ein Polizist im Verdacht von Linksextremismus oder Islamismus gestanden hat. Auch im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität gibt es nur wenige Verdachtsfälle. Studien besagen: Rechtsextreme Einstellungen sind in der Polizei stärker vorhanden als in der Durchschnittsbevölkerung.
Wie erklären Sie sich das?
Es werden eher Menschen mit einer konservativen rechten Einstellung von der Polizei angezogen. Das hat vermutlich mit der straffen Hierarchie von Polizeibehörden zu tun. Dazu kommen die harten Eindrücke, denen Polizistinnen und Polizisten täglich auf den Straßen ausgesetzt sind.
Nicht jeder vermag damit adäquat umzugehen. Manche haben eine geringe Frustrationsschwelle und entwickeln dann schneller eine menschenfeindliche und radikale Haltung. Auch Angriffe von Linksextremen auf die Polizei können dies verstärken. Es ist total wichtig, über diese Phänomene zu reden. Eine demokratische Gesellschaft braucht eine Polizei, die sich kritisch hinterfragt.
Sie wollen in der polizeilichen Kriminalstatistik eine gesonderte Rubrik einführen?
Ja, das gilt aber nicht nur für Strafverfahren. Auch über Disziplinarverfahren im Zusammenhang mit Extremismusverdacht von Polizisten muss genau Buch geführt werden.
Benedikt Lux, 37, ist Sprecher der Grünenfraktion für Innen– und Rechtspolitik. Daneben unterrichtet er als Dozent für Versammlungsrecht Polizeistudierende an der HWR.
Was war der Auslöser für diese Forderung?
Es gab eine Reihe von Einzelfällen, bei denen man sich große Sorgen machen muss. Es gab den Fall der Drohbriefe eines Polizisten an Menschen, die sich für die Zivilgesellschaft engagieren. Die Adressen stammten aus dem Polizeicomputer. Das war ein Datenmissbrauch mit klarem rechtsradikalem Hintergrund.
Es gibt den Fall Ferat Kocak aus Neukölln (auf das Auto des Linkenpolitikers wurde im Februar 2018 ein Brandanschlag verübt, d. Red.) und den Verdacht, dass sich ein Polizist aus dem Landeskriminalamt mit Sebastian Thom getroffen hat – einem stadtbekannten Neonazi aus Neukölln, der wegen schwerer rechtsextremer Straftaten verurteilt worden ist. Es gibt den Fall eines Polizisten, der mit rechtsextremen Symbolen tätowiert war. Es gibt den Fall eines Schatzmeisters der Jungen Alternative, der auch Polizist ist, und den eines Reichsbürgers, der wieder in den Polizeidienst zurückgekehrt ist.
Haben Sie Grund zu der Annahme, dass es ein rechtsextremistisches Netzwerk bei den Berliner Sicherheitsbehörden gibt?
Es wäre naiv zu glauben, dass die alle nur für sich werkeln. Ein Polizist hatte ja eine „88“ in einer Chatgruppe gepostet. Da sind ja mehrere dabei. Und wenn die Vorgesetzten nicht einschreiten, zeigt das zumindest, dass so ein Verhalten geduldet wird. Daraus können natürlich auch andere Netzwerke und Bekanntschaften erwachsen.
Wie steht der Innensenator zu der Forderung der Grünen?
Die SPD geführte Innenverwaltung vertritt da eine ausgesprochen sorglose Haltung. Wir bleiben dran. Nazisprüche oder Anzeichen rechtsradikaler Einstellungen haben in der Polizei nichts zu suchen. Da ist Sensibilität gefordert.
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