Grüner Verkehrspolitiker zur Bahn-Zukunft: "Privatisierung ist die falsche Strategie"

Private Investoren bei der Bahn können dem Schienenverkehr mehr schaden als nützen, sagt der Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann.

Staatskonzern mit öffentlichem Auftrag: die Bahn. Bild: dpa

taz: Herr Hermann, schon am Montag könnte sich die zuständige SPD-Arbeitsgruppe auf ein Konzept für die Teilprivatisierung der Bahn einigen. Kurz vor Toresschluss veranstaltet die Opposition eine Anhörung. Was versprechen Sie sich davon?

Winfried Hermann: Die große Koalition hat die Anträge der Opposition für eine parlamentarische Debatte seit Monaten verhindert, um eine für sie peinliche Debatte im Bundestag zu vermeiden. Die Fraktionen veranstalten deshalb heute eine eigene Anhörung.

Die Streitfrage um die Zukunft der Bahn wollte die große Koalition lieber nicht im Bundestag diskutieren. Deshalb veranstalten am heutigen Mittwoch die Grünen gemeinsam mit der FDP und der Linksfraktion eine alternative Anhörung zum Thema. Geladen sind Fachleute, Verbände, Privatisierungsbefürworter und -gegner. Die unendliche Geschichte der Bahn-Privatisierung könnte nun die Zielgerade erreicht haben. Denn schon am kommenden Montag könnte sich die zuständige SPD-Arbeitsgruppe für ein konkretes Modell der umstrittenen Teilprivatisierung entscheiden.

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Winfried Hermann, 55, ist Verkehrspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen und seit zehn Jahren im Bundestag.

Was würde eine Teilprivatisierung der Bahn bedeuten?

Das wäre ein ganz schlechtes Zeichen für den Schienenverkehr in Deutschland. Es geht ja nicht nur um die Zukunft der Deutschen Bahn AG, sondern um die des gesamten Schienenverkehrs, dem eine Privatisierung nach dem Modell der großen Koalition in jedem Fall schaden würde.

Wieso? Bahn-Chef Hartmut Mehdorn sagt, er könne nur mit Hilfe des Kapitalmarktes die Bahn fit für den globalen Wettbewerb machen.

Die Bahn ist ein Staatskonzern mit einem öffentlichen Auftrag, der klar im Grundgesetz geregelt ist. Dazu gehören etwa die flächendeckende Versorgung und die Gemeinwohlorientierung. Wenn sich Herr Mehdorn Kapital beschaffen will, um weltweit Häfen, Logistikunternehmen und Luftflotten zu kaufen, dann hat das mit dem öffentlichen Auftrag der Bahn nichts zu tun. Diese Expansion ist auch nicht im Interesse der Steuerzahler und Bahnkunden. Mit einer Teilprivatisierung würde daher die völlig falsche Strategie abgesegnet.

Die Koalition berät eine Bahn-Holding, in der das Schienennetz beim Staat bleibt und Teile des Schienenverkehrs privatisiert werden. Ist das nicht gut für den Wettbewerb?

Diese Art der Teilprivatisierung würde zu einer intransparenten Holding-Konstruktion mit zwei Töchtern führen. Die Schienennetz-Tochter ist dann gemeinwohlorientiert, während die Transport-Tochter renditeorientiert ist. Das wird absehbar auf Kosten der Steuerzahler gehen: im Gemeinwohl-Bereich werden dann die Schulden und die Kosten für Strecken anfallen, die sich nicht rechnen, während im Renditebereich die Investoren die Gewinne der lukrativen Verbindungen abschöpfen. Es besteht so die Gefahr, dass ganze Regionen vom Fernverkehr abgehängt werden - vor allem im Osten.

Gibt es einen besseren Weg, um für mehr Wettbewerb auf der Schiene zu sorgen?

Schon im Nahverkehr wurde Wettbewerb möglich, weil die öffentliche Hand Aufträge immer häufiger ausschreibt. Die Länder machen dabei Vorgaben, welche Strecken zu welchen Bedingungen bedient werden müssen. Diese Ausschreibungen haben den Nahverkehr nicht nur günstiger und besser gemacht, sondern auch neue Wettbewerber in den Markt gebracht. Doch im Fernverkehr ist die Deutsche Bahn noch immer ein viel zu teurer Monopolist. Deshalb brauchen wir hier Mindeststandards der Versorgung im Sinne des öffentlichen Auftrages und eine angemessene Finanzierung.

Welche Ziele sollte eine Bahn-Reform Ihrer Ansicht nach verfolgen?

Der Bundestag hat sie bereits in den 90er-Jahren formuliert: An erster Stelle steht, mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern. Das muss das Hauptinteresse der Politik bleiben. Privatisierung war immer nur eine von vielen Optionen, um dieses Ziel zu erreichen. Der Schienenverkehr muss aber auch für den Klimaschutz ausgebaut werden. Die Bahn muss dabei flächendeckend präsent sein und sich am Gemeinwohl orientieren. Dafür braucht man keine privaten Investoren, im Gegenteil: Die Politik muss die Kontrolle über die Bahn behalten und den Schienenverkehr steuern und entwickeln.

Interview: TAREK AHMIA

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