Grüner Punkt und schwarzer Peter

■ Das Duale System versucht mit einer Anzeigenkampagne, seine miesen Sammelergebnisse in Hamburg zu verbessern / Auch Eimsbüttel wird beglückt

Wer mit dem Rücken zur Wand steht, wird schon mal leicht unsachlich. In einer gestern angelaufenen Anzeigenkampagne beklagt die Arbeitsgemeinschaft Duales System Hamburg (ARGE DSD), daß in der Hansestadt zu wenig Abfall recycelt würde. Und nennt auch gleich die vermeintlich Schuldigen: die BürgerInnen. Dabei, so der Text schwarz auf knalligem Rot, “ist es so einfach“: „Für alle Haushalte gibt's die Gelben Säcke bzw. Wertstofftonnen, in die Verpackungen aus Kunststoff, Metall oder Verbundmaterialien gehören.“

Das stimmt schon mal nicht: Der Bezirk Eimsbüttel etwa hat bislang öffentlichen Grund für die Wertstoff-Container mit den gelben Deckeln verweigert. EimsbüttlerInnen, denen nicht der Vermieter eine gelben Tonne in oder vor das Haus gestellt hat, haben zur Zeit keine Möglichkeit, in Fußnähe ihre Joghurtbecher oder Katzenfutterdosen loszuwerden.

In so einem Fall „sind Sie gebeutelt“, gibt dann auch Thorsten Hannemann von der ARGE zu. Zugleich verteidigt er aber die „provokativ gemeinten“ Annoncen, mit denen man noch einige Wochen die Sammelleidenschaft der HanseatInnen stimulieren will. Nötig haben's die Entsorger allemal: Die anvisierten Recycling-Quoten werden in Hamburg für 1994 auf keinen Fall erreicht werden. Bei der sogenannten „Leichtstoff-Frak-tion“, so der Fachausdruck für die Plastik-, Metall und Verbundabfälle, ist noch nicht einmal ein Drittel der geplanten Jahresmenge zusammengesammelt, und das im September.

Woran liegt's? Im Gespräch mit der taz vergibt Hannemann den schwarzen Peter flott gleichermaßen an die „schlechte Presse“ und die Hausbesitzer, die sich angeblich scheuen, in Standplätze für Wertstoffcontainer oder -tonnen zu investieren. Allerdings nicht nur aus purem Geiz, wie der ARGE-Mann von seinen diversen Gesprächen mit Wohnungsgesellschaften zu berichten weiß, sondern weil sie nicht sicher sind, ob die MieterInnen das System überhaupt annehmen.

Und auch Eimsbüttel hatte seine Gründe, die Sammler vom DSD nicht mit offenen Armen aufzunehmen: Man befürchtete unter anderem Bodenverunreinigungen durch auslaufende Restflüssigkeiten. Gelbe Säcke kommen in weiten Teilen des dicht besiedelten Bezirks schon deshalb nicht in Frage, weil hier bereits der normale Hausmüll in (schwarzen) Säcken gesammelt und zur Abfuhr an die Straßenränder gestellt wird: oft ein Tummelplatz für Ratten.

Die Genehmigung zur Aufstellung von Containern für Metall- und Plastikmüll auf öffentlichem Boden, so ein Beschluß der Bezirksversammlung vom Juni 1993, sollte vom Abschluß eines Vertrages abhängig gemacht werden, der neben baurechtlichen Details und Abgabemodalitäten auch die Untergrund-Befestigung der Standplätze regelt.

Der Vertrag ist vor kurzem zwischen DSD und Baubehörde zur Zufriedenheit der Eimsbütteler zustande gekommen, so daß nun auch den BewohnerInnen dieses Bezirkes in absehbarer Zeit neben den gewohnten Papier- und Glascontainern auch die gelbgedeckelten Behälter zur Verfügung stehen werden.

Doch ob sie diese Möglichkeit nutzen werden, ist völlig offen. Denn neben der von den Anzeigentextern unterstellten Bequemlichkeit der Bürger gibt es ja noch einen anderen Grund, sich dem DSD-Recycling zu verweigern: die fehlende Einsicht in den Sinn des Ganzen. Denn auch sortierter Müll ist Müll.

Und Kai Fabig, Sprecher der DSD-kritischen Umweltbehörde, gibt zu bedenken: „Selbst wenn die Leichtstoff-Fraktion in Hamburg mit großem Aufwand zu 100 Prozent erfaßt würde, wären das nur etwa 6,6 Prozent des Hamburger Gesamtmülls, bzw. gut ein Zehntel der zu entsorgenden Restmüllmenge.“

Die plakative Aufforderung „Hamburger, Ihr habt es in der Hand!“ in der ARGE-Anzeige ist somit mehr als zweifelhaft. Aber daß der Grüne Punkt zur Abfallvermeidung beiträgt, hat eh ernsthaft noch niemand behauptet.

Claudia Hönck