: Grüner Kater nach Hessenwahl
■ Lustlos debattierten die Grünen bei ihrer Landesversammlung über das hessische Wahlergebnis / Fischer plädiert weiter für rot–grüne Zusammenarbeit / Stoppsignal für Wallmann bei Kommunalwahl setzen
Aus Gießen Reinhard Mohr
„Die Alternative heißt nicht Fundis oder Realos, sondern sozialökologische Reformperspektive oder CDU–Staat“, sagt Joschka Fischer auf der ersten grünen Landesversammlung in Gießen nach dem hessischen Wahldebakel. Fischer dankte vor kaum 150 Parteimitgliedern noch einmal den „Wahlkämpfern vor Ort“ und den - ehemals - „Regierenden“ für das großartige Ergebnis von 9,4 Prozent, das gleichwohl eine Niederlage signalisierte: In der zentralen Auseinandersetzung um die Plutoniumwirtschaft habe man gegen die Atomlobby verloren. Doch könnte den Grünen jetzt nichts Schlimmeres widerfahren als ein selbstgerechtes „Festkleben in der Oppositionsrolle“, das der CDU „die Dauerherrschaft sichern würde“. Gerade die BIs und die außerparlamentarische Bewegung würden schnell erkennen müssen, wie brutal die neuen Machthaber gerade bei den Atomfabriken NUKEM/ALKEM „durchregieren“ werden. Deshalb plädierte Fischer für das Offenhalten einer „Regierungsperspektive“, ohne die „die Linke im Protestghetto versau ern“ werde. Er warnte davor, die SPD jetzt einfach abzuschreiben: „Die SPD ist keine sterbende Partei. Richtig ist, daß sie durch ein tiefes Tal geht.“ Weder Hochmut noch Depression seien angebracht. Die Grünen seien eine ökologische, linke Partei, die die Widersprüche im konservativen Lager nutzen solle, ohne unsinnige Debatten über eine etwaige Zusammenarbeit mit der CDU zu führen, meinte Fischer mit einem Seitenhieb auf den Parteifreund Lukas Beckmann. „Rot–Grün ist nicht historisch überlebt“, schloß der neue Fraktions–Chef der Grünen im Landtag. Bei den Kommunalwahlen 1989 werde das „erste Stoppsignal“ für Wallmann gesetzt werden. In der eher lustlosen Debatte über die Hessenwahl und ihre Folgen schwankte man zwischen der Einschätzung, daß es „gegenwärtig keine gesellschaftliche Mehrheit für rot–grüne Bündnisse“ gebe, und der Hoffnung, den Konservativen die „Hegemonie über den Begriff Zukunft“ entreißen zu können. Jutta Ditfurth warnte davor, sich jetzt wieder an der SPD zu orientieren, da diese sich gerade „in einem objektiven Veränderungsprozeß“ befinde. Nun gehe es darum, politische Entwicklungen außerparlamentarisch in Gang zu setzen, um „später auch wieder parlamentarisch etwas verändern zu können“. Wegen des Skandals in Gedern (siehe Seite 5) beschloß die Versammlung, die nächste Zusammenkunft im September dort einzuberufen. Joschka Fischer kündigte einen Dringlichkeitsantrag im hessischen Landtag an.
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