Grünen-Parteitag in Hamburg: So eine nette Niederlage
Grüner Parteitag der Ratlosigkeit nach der Klatsche bei der Bürgerschaftswahl. Jetzt soll zunächst mal die Lage gründlich analysiert werden. Spitzenkandidatin Anja Hajduk verzichtet auf Fraktionsvorsitz.
HAMBURG taz | Am Ende wird das böse Wort "Niederlage" vermieden. Nach dreistündiger Debatte lehnt ein Parteitag der Grün-Alternativen Liste (GAL) in Hamburg den Antrag ab, "die Niederlage anzuerkennen und anzunehmen".
Stattdessen votieren die rund 200 Parteimitglieder am Mittwochabend für den Antrag mit dem mutmachenden Titel "Mit grünen Inhalten Opposition gestalten".
Der fordert so unverbindliche Nettigkeiten wie einen "breit angelegten Prozess zur Analyse der hamburgischen Politik", um "zeitnah die Konzepte der GAL neu zu entwickeln".
Tatsächliche Konsequenzen aus der Klatsche an der Wahlurne blieben indes rar. Spitzenkandidatin Anja Hajduk kündigte an, nicht Fraktionschefin in der Bürgerschaft werden zu wollen. Sie möchte "am liebsten als stellvertretende Fraktionsvorsitzende" weitermachen, kündigte die ehemalige Umweltsenatorin an.
Damit wird es auf der konstituierenden Sitzung der Fraktion am Montag wohl zu einem Duell zwischen Amtsinhaber Jens Kerstan und Ex-Justizsenator Till Steffen kommen.
Inhaltlich hatte Hajduk in ihrer Rechtfertigungsrede zum Auftakt bekräftigt, die GAL werde "nicht den Anspruch aufgeben, in dieser Stadt mitzuregieren".
Das amtliche Endergebnis der Hamburger Bürgerschaftswahl vom Sonntag lautet:
Prozente:
SPD: 48,4 % (+14,3)
CDU: 21,9 % (-20,7)
GAL: 11,2 % (+1,6)
FDP: 6,7 % (+1,9)
Linke: 6,4 % (+/-0,0)
Piraten: 2,1% (+1,9)
NPD: 0,9% (+0,1, DVU)
Die Partei: 0,7% (-0,4)
Freie Wähler: 0,7% (---)
Rentner: 0,5% (---)
ÖDP: 0,3% (+0,2)
Bü-Mi: 0,2% (---)
BIG: 0,1% (---)
Mandate:
SPD: 62 (+17)
CDU: 28 (-28)
GAL: 14 (+2)
FDP: 9 (+9)
Linke: 8 (+/-0)
Wahlbeteilung:
57,8% (-5,7)
Ungültige Stimmen:
3,1% (+2,1)
Das Wahlergebnis von 11,2 Prozent und die Rückkehr in die Opposition nannte sie "enttäuschend, aber keine krachende Niederlage".
Es sei richtig gewesen, im November die schwarz-grüne Koalition verlassen zu haben: "Dennoch sind wir auch für Fehler der Regierungszeit bestraft worden."
Der Wahlkampf jedenfalls sei "nicht in erster Linie" Schuld am Ergebnis, sagte Hajduk und erhielt darin Unterstützung von Parteichefin Katharina Fegebank.
"Die Erwartungen waren sehr hoch, die Umfragen waren extrem gut", sagte die. Nur habe es "leider dennoch nicht gereicht". Jetzt müsse die Partei sich neu ausrichten: "Ihr seid die Denkfabrik", schmeichelte sie der Basis.
"Pläne werden allein geschmiedet, aber Misserfolge werden sozialisiert", keulte ein Grüner zurück.
Auch Jenny Weggen hält die Einschätzungen der Chefinnen nicht für stichhaltig."Wir haben den Wahlkampf einer Regierungspartei gemacht und keinen Gedanken an die Opposition verschwendet", beklagte die ausgeschiedene Bürgerschaftsabgeordnete. "Dafür wurden wir bestraft.
"Der Ausstieg aus dem Bündnis mit der CDU sei überhastet gewesen. Selbst sie als Abgeordnete habe davon erst erfahren, als die Sache bereits entschieden war: "Ich habe mich darauf verlassen, dass unsere Spitzenleute, die auch als Spitzenpersonal in den Wahlkampf gegangen sind, eine klare Strategie im Blick haben." Das sei eine politische Fehleinschätzung gewesen.
Hart auch mit sich selbst ins Gericht ging Christian Maaß, Ex-Staatsrat der Umweltbehörde: "Wir machen schon länger etwas falsch", stellte er klar.
Seit 2001 sei die GAL bei drei Bundestagswahlen von fast doppelt so vielen Menschen gewählt worden wie bei den vier Bürgerschaftswahlen, dafür müsse es hamburg-spezifische Gründe geben.
In diesem Wahlkampf hätte die GAL - nach verlorenem Volksentscheid zur Schulreform, ohne Stadtbahn, aber mit Elbvertiefung und Kohlekraftwerk Moorburg - "kein wirkliches Thema gehabt", so Maaß.
Die Grüne Jugend (GJ) vor allem forderte, die Kooperation mit der Piratenpartei zu suchen, die den Einzug in eines der sieben Bezirksparlamente schaffte: "Die machen unsere Themen."
Und an der Universität dürfe man sich kaum noch als Grüne outen, so GJ-Sprecherin Mareike Engels. Ohne klare Linie der Partei gegen Studiengebühren "kann ich mir da erfolglos den Mund fusselig reden".
Der Jung-Grüne Benjamin Bechtel behalf sich mit Sarkasmus. Das Thema der "babylonischen Gefangenschaft", in der die SPD die Grünen halte, habe sich erledigt. "In Hamburg", so Bechtel, "braucht die SPD uns nicht mal mehr als Gefangene."
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