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Grüne wollen Aussiedler integrieren

Auf der Landesmitgliederversammlung der hessischen Grünen sprach sich Fritz Hertle für die Aufnahme der deutschstämmigen Osteuropäer aus / Kontroverse um 'Stichwort: Grün‘  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Kassel / Frankfurt (taz) - Auf der Landesmitgliederversammlung der hessischen Grünen in Kassel hat sich der Landtagsabgeordnete Fritz Hertle aus Fulda am Wochenende für die Integration der deutschstämmigen Aussiedler aus Osteuropa ausgesprochen. Im Rahmen des Rechenschaftsberichts der Landtagsgruppe meinte Hertle, daß die Grünen die Aussiedler „nicht willenlos in die Arme der CDU laufen lassen“ dürften. Hertle: „Wenn wir die Lufthoheit der CDU über den Stammtischen beenden wollen, können wir auch das Aussiedlerproblem nicht rechts liegenlassen.“

Aufgrund des „Amoklaufs“ der regierenden Christdemokraten vor allem im sozial- und umweltpolitischen Bereich sei die CDU der Hauptgegner der Grünen im anlaufenden Kommunalwahlkampf in Hessen. Im Landtag habe man aus der Opposition heraus den „Kampf um Menschenwürde und Grundrechte“ aufgenommen, erklärte Hertle weiter, der auf die zahlreichen politischen Aktionen der Landtagsgruppe zu den christdemokratischen Auswüchsen bei der Aids- und Paragraph-218-Problematik und zu den „bildungspolitischen Glanznummern der CDU“ verwies.

Konkret verabschiedeten die Mitglieder dann die umweltpolitischen Schwerpunkte für den Kommunalwahlkampf: Müll und Wasser. Ein Antrag der Fundamentalisten auf „Sofortabschaltung aller hessischen Müllverbrennungsanlagen (MVAs)“, der von Manfred Zieran als Änderungsantrag zu einem moderateren Antrag eingebracht worden war, fand keine Mehrheit. Joschka Fischer hatte den Fundamentalisten zuvor „radikales Schüttelfieber“ attestiert: „Wer die Schließung der vorhandenen Anlagen will, ohne ein Alternativangebot vorlegen zu können, der klopft hohle Sprüche.“ Die Delegierten einigten sich schließlich auf die Ablehnung des MVA-Zubaus und auf die Forderung nach dem schrittweisen Ausstieg aus der Müllverbrennung. Die Grünen setzen auf die Abfallverwertung und auf die Deponierung von nicht recyclefähigem, schadstoffhaltigem Müll.

Zu einer weiteren schweren Kontroverse zwischen den Parteiflügeln kam es dann bei der Debatte um die grüne Monatszeitschrift 'Stichwort: Grün‘. Ein „schmutziges Grabenblatt“ nannte Manfred Zieran die Zeitschrift, die redaktionell von Broka Herrmann (Ex-taz), Jochen Vielhauer (Ex-taz) und Bernd Messinger (Ex-Vizepräsident / Landtag) betreut und in Realo-Kreisen ob ihrer Professionalität seit ihrem Erscheinen über den Klee gelobt wird. Wiederholt habe die Redaktion die hessischen Fundamentalisten aufgefordert, Beiträge für die Mitgliederzeitschrift zu schreiben, doch „die Fundis blieben stur, damit sie uns weiter als Realo -Kampfblatt-Redakteure diffamieren konnten“, meinte etwa Broka Herrmann, der zuletzt für das Blatt das bundesweit Aufsehen erregende Interview mit Ignaz Bubis geführt hatte. Anderen Kritikern wiederum war die Zeitschrift „zu teuer“, denn die Summe von 120.000 Mark jährlich umfasse ein ganzes Zehntel des jährlichen Haushaltsgeldes der hessischen Grünen. Den anwesenden Mitgliedern allerdings war ihre Monatszeitschrift wichtig. Mit Mehrheit wurden die eingebrachten Eliminierunsanträge abgelehnt. 'Stichwort: Grün‘ kann weiter erscheinen. Am Sonntag standen Debatten um Satzungsänderungen und um die Listenaufstellung zu den Europawahlen auf der Tagesordnung des Parteitages, die bis Redaktionsschluß noch nicht zum Abschluß gekommen waren. Das Interesse an der Listenaufstellung war allerdings gering, denn die Hessen werden auf der Bundesliste kaum einen Kandidaten „durchkriegen“, wie ein Mitglied resigniert anmerkte: „Das ist doch in Bonn alles schon ausgemauschelt worden.“

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