Grüne und die Liebig 14: Kreuzberger Basis lässt sich nicht räumen
Die Partei streitet über das Ende des Hausprojekts Liebig 14. Ein Brief des Friedrichshain-Kreuzberger Verbands greift die Fraktionschefs Pop und Ratzmann an. Sie hatten die Räumung als unabwendbar bezeichnet.
Die Diskussion über die Liebig 14 führt zu Zoff innerhalb der Grünen. Der Bezirksverband Friedrichshain-Kreuzberg kritisiert in einem Schreiben die Äußerungen der Fraktionschefs im Abgeordnetenhaus, Ramona Pop und Volker Ratzmann, zur Räumung als "kontraproduktiv".
Das linke Hausprojekt Liebig 14 war vor einer Woche von einem Großaufgebot der Polizei geräumt worden. Ratzmann und Pop hatten dies in Pressemitteilungen als rechtlich unabwendbar bezeichnet. Die Weigerung der Bewohner, das Haus zu verlassen, und die Ausschreitungen nach der Räumung nannten beide "nicht hinnehmbar".
In dem Protestbrief der Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg - traditionell links - wird das als verkürzt kritisiert. Die Fraktionsspitze blende "unser Plädoyer für eine politische Lösung vollständig aus". Wäre der rot-rote Senat nicht untätig geblieben, wäre eine Abwendung der Räumung möglich gewesen. Mit einem "Minimum an innerparteilicher Kommunikation" hätten dies auch die Fraktionsvorsitzenden erfahren können. Die Partei habe eine Chance vertan, sich geschlossen für "eine Stadt für alle" einzusetzen. Stattdessen verliere man sich in "vermeintlich innergrünen Widersprüchen". Dabei sei auch der Bezirksverband selbstverständlich gegen jegliche Gewalt. Das Schreiben ist von der Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung, der Bezirksgeschäftsführung und den grünen Mitgliedern im Bezirksamt unterzeichnet.
Fraktionschef Ratzmann sprach von "keinem Dissens, sondern verschiedenen Blickwinkeln". Man schreibe an einer gemeinsamen Erklärung, die dies unterstreiche. Doch auch in der Fraktion hatte es Kritik gegeben. Die Notwendigkeit alternativer Wohnformen sei in den Statements nicht klar geworden, so ein Fraktionsmitglied - ebenso wenig wie der Einsatz des grün geführten Bezirks für eine Verhandlungslösung.
Der linke Fraktionsflügel - Dirk Behrendt, Canan Bayram, Benedikt Lux - hatte sich bereits vor der Räumung mit Innensenator Ehrhart Körting (SPD) angelegt und eine politische Lösung verlangt. Drei Tage später forderten Ratzmann und Pop den "friedlichen Auszug" der Bewohner. Franz Schulz, Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, bezeichnet diese Äußerungen nun als "nicht ausreichend": "Die Räumung muss doch nicht nur juristisch, sondern stadtpolitisch bewertet werden." Nicht erwähnt wurde, was die Stadt mit dem Verschwinden alternativer Wohnprojekte verliere.
SPD, CDU und FDP hatten die Kontroverse genutzt und die Grünen als "verlogen" kritisiert. Tatsächlich fehlt den Grünen ein halbes Jahr vor der Wahl eine klare Linie in der Innenpolitik. Auch Spitzenkandidatin Renate Künast laviert: Die Räumung war bedauerlich, aber rechtlich korrekt, sagte sie letzte Woche. Vor 20 Jahren hatte sie noch die damalige rot-grüne Koalition nach der Räumung der Mainzer Straße platzen lassen. Das, so Künast heute, seien "unterschiedliche Vorfälle".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Pressefreiheit unter Netanjahu
Israels Regierung boykottiert Zeitung „Haaretz“
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Twitter-Ersatz Bluesky
Toxic Positivity