: Grüne klammern Knackpunkt aus
■ Die Bündnisgrünen streichen das Thema Rechtsextremismus beim kommenden Parteitag von der Tagesordnung. Schröder: Rot-Grün auch mit nur einer Stimme Mehrheit
Berlin (taz) – Das Thema Rechtsextremismus wird die Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen am Wochenende in Magdeburg nicht beschäftigen. Der Bundesvorstand folgt damit einer Bitte des Landesverbandes Sachsen-Anhalt, der sich gegen eine Beschäftigung mit dem Rechtsextremismus auf dem Parteitag ausgesprochen hat.
Der Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir hatte den Wunsch geäußert, die Delegiertenkonferenz möge sich mit der wachsenden Fremdenfeindlichkeit und den zunehmenden rassistischen Gewalttaten befassen. Schließlich sei die Stadt Magdeburg, in der Vergangenheit wiederholter Schauplatz schwerster rechtsextremer Übergriffe, „nicht ganz unbekannt“. Özdemir hatte angeregt, Vertreter örtlicher antirassistischer Initiativen vor dem Parteitag sprechen zu lassen; angedacht wurde auch, eine „Magdeburger Erklärung“ zu verabschieden.
„Wir sehen die Sache sehr distanziert“, sagt dazu Ulrich Engel, der innenpolitische Sprecher des Landesverbandes. Ihn stört vor allem der Arbeitstitel, unter dem er von den Plänen erfahren hat: „Rechte Gewalt im Osten“. Selbstverständlich sei die rechte Gewalt „ein brennendes gesellschaftliches Thema“. Dieses betreffe aber die gesamte Bundesrepublik und nicht nur die ostdeutschen Bundesländer. Schließlich, so argumentiert Engel, liege Mölln im Westen der Republik und Abgeordnete rechtsextremer Parteien seien in westdeutschen und nicht in ostdeutschen Landesparlamenten vertreten. Deshalb habe der Landesverband den Bundesvorstand gebeten, die Idee „zu überdenken“. Dieser sei dann „auf unsere Interessenlage eingegangen“. Cem Özdemir sagte, es sei ihm dabei keinesfalls darum gegangen, eine Ost-West-Konfrontation loszutreten. Die „Freunde“ in den neuen Bundesländern müßten sich aber schon sagen lassen, daß die Situation im Osten nicht mit der im Westen zu vergleichen sei.
In den neuen Ländern gebe es „ein Spezifikum, das nicht wegzudiskutieren ist“. Deshalb sehe er für sich selbst damit den „Arbeitsauftrag verbunden“, am Thema dranzubleiben. Die grüne Bundesgeschäftsführerin Heide Rühle hat sich vor der Magdeburger Bundesversammlung in bezug auf eine rot- grüne Mehrheit bei der kommenden Bundestagswahl geäußert. Die Bündnisgrünen wollten die Koalitionsgespräche mit den Sozialdemokraten nicht mit Vorbedingungen belasten: „Wir wollen keine Knackpunkte im Vorfeld“, sagte Rühle. Deshalb werde sich der Parteivorstand auch gegen einen Antrag zur Bundesversammlung am Wochenende aussprechen, in dem der Verzicht auf jeden weiteren Autobahnbau gefordert wird.
Zu einer möglichen rot-grünen Bonner Koalition sagte der frischgekürte SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder in einem gestern vorab veröffentlichten Interview mit der Woche, er würde eine rot-grüne Bundesregierung auch dann bilden, wenn diese im Bundestag nur eine Mehrheit von einer Stimme hat. Es gehe ihm um einen Machtwechsel und einen Politikwechsel in Bonn. Dieses Ziel wolle er „mit aller Kraft, ohne jeden Vorbehalt“ erreichen. Weiter sagte Schröder, Voraussetzung für eine rot-grüne Regierung sei, daß industrielle Großprojekte „gewollt und durchgesetzt werden“.
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