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Grüne in Baden-WürttembergMehr Frauen in die Parlamente

Gerade einmal ein Fünftel der Politiker in Baden-Württemberg ist weiblich – das will eine Grünen-Frau ändern. Ein Gutachten zeigt nun, dass das rechtlich möglich wäre.

Will mehr Frauen in den Parlamenten: Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann. Bild: dpa

STUTTGART taz | Edith Sitzmann gehört zwar als Fraktionschefin der Grünen in Baden-Württemberg der grün-roten Regierungsmehrheit an. Doch gleichzeitig gehört sie zu einer Minderheit im Landesparlament: gerade mal 18 Prozent der Abgeordneten in Baden-Württemberg sind weiblich. In den Gemeinderäten ist der Frauenanteil mit 22 Prozent nicht viel höher, in Kreistagen liegt er sogar nur bei 16 Prozent. Im bundesweiten Durchschnitt landet der Südwesten damit auf dem letzten Platz. Das will Grün-Rot ändern.

Sitzmann stellte deshalb am Montag ein Rechtsgutachten vor, wie der Frauenanteil erhöht werden könnte. Im Koalitionsvertrag hatte sich Grün-Rot vorgenommen, das kommunale Wahlrecht sowie das Landtagswahlrecht geschlechtergerechter auszugestalten.

Das Gutachten einer Berliner Anwaltskanzlei kommt nun zu dem Ergebnis, dass es auf kommunaler Ebene rechtlich möglich wäre, Wahllisten paritätisch zu besetzen. Abwechselnd müssten jeweils ein Mann und eine Frau nominiert werden. Dies wäre verfassungskonform – und in Deutschland bislang einmalig.

„Die gesetzliche Quotierung der Wahlvorschläge führt zwar zu Eingriffen in die Freiheit und Gleichheit der Wahl, in die (Organisations-)Freiheit der Parteien und in den Gleichheitssatz“, heißt es in dem Gutachten. Der Eingriff sei aber gerechtfertigt, da er dazu beitrage, den Auftrag des Grundgesetzes umzusetzen: „Der Staat fördert die Durchsetzung der Gleichberechtigung.“

Wie soll kontrolliert werden?

Die Gutachter empfehlen jedoch, die Quotierung auf Kandidatinnen und Kandidaten zu beschränken, die bereit sind anzutreten. Heißt: Finden sich nicht genügend Kandidatinnen, können auch Männer die Plätze einnehmen – und umgekehrt. Es müsse aber glaubhaft versichert werden, erklärte Sitzmann, dass ernsthaft nach anderen KandidatInnen gesucht worden sei.

Doch das wäre Unterstützern der quotierten Listen zu lax. Zwar lobt Claudia Sünder vom Landesfrauenrat: „Das Gutachten schafft endlich eine Grundlage.“ Der Vorschlag gehe aber nicht weit genug. Wie solle schon kontrolliert werden, dass ausreichend Frauen gefragt und motiviert wurden, zur Wahl anzutreten? Stattdessen fordert der Landesfrauenrat Sanktionsmöglichkeiten. Wie etwa in Frankreich, wo die Parteien mit finanziellen Einbußen rechnen müssten, wenn sie nicht genügend Frauen aufstellen. Sünder: „Wir glauben, dass sich sonst die Bestrebungen der Parteien in Grenzen halten werden.“

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6 Kommentare

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  • SB
    Siegfried Bosch

    Schon wieder wird Gleichberechtigung (Chancengleichheit) mit Gleichstellung (Ergebnisgleichheit) verwechselt.

  • T
    tageslicht

    "Das Gutachten einer Berliner Anwaltskanzlei kommt nun zu dem Ergebnis, dass es auf kommunaler Ebene rechtlich möglich wäre, Wahllisten paritätisch zu besetzen. Abwechselnd müssten jeweils ein Mann und eine Frau nominiert werden. Dies wäre verfassungskonform – und in Deutschland bislang einmalig."

     

    Einmalig, weil hochgradig ungerecht und diskriminierend. Negative Diskriminierung bei den Männern, positive bei den Frauen, nichts davon ist dienlich.

    Wenn sich auf die Posten 80% Männer bewerben, aber aus Zwang 50% der Frauen aufgestellt werden, dann werden Männer relativ betrachtet unterrepräsentiert. Ich kann mir im Übrigen auch nicht vorstellen, dass diese Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar wäre, Gutachten hin oder her.

  • M
    Martin

    Mal eine Verständnisfrage and die Grünen in BW:

    Kommen in ihrem weltbild transsexuelle nicht vor oder wurden die absichtlich nicht berücksichtigt?

  • T
    TheK

    Und Personen, die sich nicht genau einem Geschlecht zuordnen lassen, sind dann von der Kandidatur ausgeschlossen? Mehr als "so ein Bullshit" fällt nur dazu echt nicht ein.

  • AH
    Aus Haching

    Das bestellte Gutachten das enthalten, was man hören möchte, ist nicht sonderlich verwunderlich. Aber warum sollten 50 % der Listenplätze an Frauen gehen, wenn in allen größeren Parteien deutlich weniger als 50 % der Mitglieder weiblich sind?

     

    (Laut wikipedia):

     

    SPD 31,2 %

    CDU 25,4 %

    Grüne 37,4 %

    FDP 22,55 %

    Linke 37,3 %

     

    Ist es auch nicht wichtiger, ob eine Person gute Politik macht oder nicht als die Frage, ob die Person einen Penis oder eine Vagina hat?

     

    Es sind Vorschläge wie dieser, die für die Vorstellung verantwortlich sind, dass Feminismus nur ein anderes Wort für Lobbyismus im Interesse eine kleinen Minderheit aller Frauen ist - hier der Parteimitglieder, die sich bei innerparteilichen Wahlen nicht durchsetzen können oder wollen.

  • J
    Jörn

    Ich hätte doch meine Zweifel, ob man z.B. einer "Frauenpartei" vorschreiben könnte, 50% Männer aufzustellen. Nicht alle Parteien müssen "Volksparteien" sein, die für sich in Anspruch nehmen, die gesamte Bevölkerung zu vertreten. Parteien können gerade auch zur Vertretung von bestimmten Gruppen und Interessen gegründet werden. Daher ist es eine Sache der MigliederInnen zu entscheiden, wen sie kandidieren lassen wollen und ob sie eine Quotenregelung haben möchten. Die SPD wird vielleicht einmal eine ArbeiterInnenquote aufstellen, die CDU dagegen bestimmt keine Muslimenquote. Alles andere ist demokratiefeindlich und ziemlich sicher verfassungswidrig. Gutachten gibt es viele und letzendlich entscheidet das Gericht, was noch verfassungskonform ist.