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Grüne Spitzenkandidatin KünastDie Berliner K-Frage

Macht es Renate Künast? Oder nicht? Das ist die Frage, die die Grünen derzeit beschäftigt. Es geht um die Spitzenkandidatur für das Rote Rathaus bei der Wahl 2011.

Regierende Bürgermeisterin ja, aber Oppositionschefin? Renate Künast Bild: AP

Seit einem halben Jahr liegen sie in Umfragen konstant bei 20 Prozent, knapp hinter der führenden Partei: Die Grünen geraten zunehmend in die Lage, zur Berlin-Wahl 2011 Anspruch auf das Rote Rathaus erheben zu müssen. Für diese Spitzenkandidatur kommt nur eine infrage: Renate Künast. Offiziell will zwar kein führender Grüner darüber reden, intern aber bewegt die K-Frage die Partei: Macht es Künast? Oder macht sies nicht?

Landtagswahl 2011

Die nächste Wahl: Das Abgeordnetenhaus wird im Herbst 2011 neu gewählt. Dann endet die fünfjährige Legislaturperiode.

Umfragen: Im letzten halben Jahr wurden den Grünen zwischen 19 und 21 Prozent prognostiziert. Die CDU schwankte zwischen 21 und 25, die SPD zwischen 20 und 25 Prozent. Die Linke kam auf 14 bis 17, die FDP auf rund 9 Prozent.

Wahlen: Bei der Europawahl im Juni lag in Berlin die CDU mit 24,3 Prozent nur ganz knapp vor den Grünen (23,6). Die SPD holte nur 18,8, die Linke gar nur 14,7 Prozent. Bei der Bundestagswahl im September lagen SPD und Linke in Berlin mit 20,2 Prozent gleichauf. Die CDU holte 22,8, die Grünen nur 17,4 Prozent.

Konstellationen: Nicht nur die aktuell regierende rot-rote Koalition hätte derzeit keine eigene Mehrheit, auch alle anderen Zwei-Parteien-Koalitionen hätten kaum eine Chance. Selbst SPD und CDU müssten sich mit der FDP zur schwarz-rot-gelben "Deutschlandkoalition" zusammenschließen. Dreier-Konstellationen aber wären viele möglich. Neben Rot-Rot-Grün und Jamaika (Schwarz-Gelb-Grün) hätte auch die Ampel (Rot-Gelb-Grün) eine Mehrheit.

SPD: Klaus Wowereit dürfte als Spitzenkandidat erneut gesetzt sein. Zwar werden ihm Ambitionen in die Bundespolitik nachgesagt. Doch um etwa Kanzlerkandidat 2013 zu werden, muss er zunächst einmal bleiben, was er ist.

CDU: Frank Henkel ist Landes- und Fraktionsvorsitzender und drängt sich somit als Spitzenkandidat förmlich auf. Doch mit dem Werber Thomas Heilmann gibt es neuerdings einen Landesvize, der vor allem links von der klassischen CDU-Wählerklientel punkten könnte.

Linke: Auch in der Linkspartei gibt es Überlegungen, mit einem Kandidaten für das Amt des Regierenden Bürgermeisters in den Wahlkampf zu ziehen. Gregor Gysi hat dafür kürzlich Wirtschaftssenator Harald Wolf vorgeschlagen. Wie bei allen anderen Parteien heißt es aber auch bei der Linkspartei: Eine Entscheidung soll nicht vor Herbst 2010, vielleicht sogar erst im Frühjahr 2011 fallen.

21 Prozent haben die Berliner Grünen in einer Umfrage Anfang Dezember bekommen. Die CDU hatte bloß zwei Punkte mehr, die SPD nur einen. Noch nie hatte der Landesverband höhere Werte. Und selbst die Linke denkt darüber nach, mit einem eigenen Kandidaten den Anspruch aufs Rote Rathaus zu erheben - dabei werden ihr derzeit gerade mal 17 Prozent prognostiziert.

Doch die Grünen vertrauen der eigenen Kraft - noch - nicht genug, um in die Offensive zu gehen. Fraktionschef Volker Ratzmann, Landeschefin Irmgard Franke-Dressler und jüngst Jürgen Trittin, zusammen mit Künast Fraktionschef im Bundestag, alle reden über die Idee, mit einer Kandidatin ins Rennen zu gehen. Aber keiner legt sich fest. Erst müssten sich die Umfragewerte weiter stabilisieren, heißt es. Zudem werde ja erst 2011 gewählt. Und jetzt arbeite man erst mal am Programm. Doch unter der Hand scheint es längst grüner Konsens zu sein, dass es bei anhaltend guten Werten Ausdruck von Schwäche und Selbstzweifel wäre, Wowereits Nachfolge nicht für sich selbst zu beanspruchen.

Je realistischer die Spitzenkandidatur wird, desto dringender stellt sich die K-Frage. Natürlich könnten die Grünen auch mit ihrer Berliner Fraktionsspitze antreten. Doch Volker Ratzmann (49) hat das Pech, dass laut Grünen-Satzung bei Wahlen alle ungeraden Listenplätze - und damit auch der erste - mit Frauen zu besetzen sind. Das träfe auf Ramona Pop, die zweite Fraktionsvorsitzende, zu. Aber sie ist erst 32 und noch neu im Amt.

Cem Özdemir wiederum, der in Berlin wohnende Bundesvorsitzende aus Schwaben, hätte zwar einen bekannten Namen zu bieten, aber parteiintern das gleiche Problem wie Ratzmann. Zudem beschränken sich Özdemirs nennenswerte Begegnungen mit der hiesigen Landespolitik auf einen Konflikt um einen geplanten Drogenkonsumraum in seinem Haus.

Bleibt Renate Künast.

Die 54-Jährige saß bis 2000 knapp 13 Jahre im Abgeordnetenhaus, hat Regierungserfahrung, ist weithin bekannt. Bei der Bundestagswahl holte sie in ihrem Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg 26,3 Prozent der Erststimmen. Ein hervorragendes Ergebnis. Künast selbst aber weicht bei Fragen aus. Als Fraktionschefin im Bundestag habe sie "die wichtige Aufgabe, eine schlagkräftige Opposition gegen die unsoziale Politik von Schwarz-Gelb zu machen", sagt sie. Das bereite ihr wirklich Spaß, tönt es aus ihrem Umfeld. Dennoch gibt es wenig Zweifel, dass Künast lieber agieren als reagieren würde. Als Bundesministerin für Verbraucherschutz hatte sie bis 2005 ein paar Hebel in der Hand. Ganz nach oben aber kann sie auf Bundesebene derzeit nicht kommen. Dafür ist ihre Partei dort zu schwach. Das geht allein in Berlin.

Die CDU signalisiert bereits deutlich, dass einem Bündnis mit den Grünen nicht viel im Wege steht. Die Union geht allerdings bei allen Überlegungen bislang stets davon aus, dass sie in jedem Fall vor den Grünen landen und damit den Regierungschef stellen wird. Und auch die FDP macht nicht den Eindruck, als ob sie die Möglichkeit ablehnen würde, in einer Jamaika-Koalition mitzuregieren. Zusammen kommen Schwarze, Gelbe und Grüne in der jüngsten Umfrage auf 51 Prozent, klar vor Rot-Rot mit 39 Prozent.

Die führenden Berliner Grünen verorten ihre Partei zwischen Rot-Rot und Schwarz-Gelb. Sie nennen das teils "Äquidistanz", teils "linke Mitte" mit Offenheit in beide Richtungen. Die Fraktion müht sich erkennbar, nicht als Reserverad oder bloßer Mehrheitsbeschaffer für die vermeintlichen linken Freunde von Rot-Rot zu erscheinen.

Als der Senat jüngst eine solide Mehrheit für einen neuen Rechnungshofpräsidenten suchte und bei den Grünen anklopfte, machten die klar: mit uns nur, wenn es nicht bei Rot-Rot-Grün bleibt, sondern möglichst auch CDU und FDP dabei sind. Und beim taz-Streitgespräch zwischen Ramona Pop und Udo Wolf, dem ebenfalls neuen Fraktionschef der Linkspartei, legte die Grünen-Seite Wert darauf, dass Pop nicht in trauter Zweisamkeit mit Wolf aufs Foto kam. Mit Blick auf die Wahl 2011 macht diese Strategie durchaus Sinn: Die Grünen könnten kaum von einer Wechselstimmung profitieren, wenn die Wähler sie klar bei Rot-Rot sehen.

Der linke Kreuzberger Parteiflügel hält von diesem Kurs wenig, verteufelt Jamaika und verortet die Grünen weiter links. Realos in der Partei verweisen hingegen darauf, dass auch Rot-Rot-Grün nicht unproblematisch sei. Gegen eine Koalition mit der SED-Nachfolgepartei könnten frühere DDR-Bürgerrechtler in der Partei aufstehen, heißt es.

Die Bündnisfrage lässt sich endgültig erst nach der Wahl 2011 beantworten. Die K-Frage hingegen muss sich deutlich früher klären. Für Künast kann sie die Krönung, aber auch den entscheidenden Knick ihrer Karriere bedeuten. CDU-Mann Friedbert Pflüger ist dafür ein trauriges Beispiel. Um an Glaubwürdigkeit als Spitzenkandidat zu gewinnen, legte sich der Bundespolitiker 2006 darauf fest, nach der Wahl in jedem Fall in der Landespolitik zu bleiben. Er gab Staatssekretärsposten und Bundestagsmandat auf, verlor später die Fraktionsführung - und ist inzwischen nur noch Hinterbänkler im Abgeordnetenhaus.

Eine Perspektive, die Renate Künast nicht gefallen kann. Doch sollte sie sich zu einer Kandidatur durchringen, sind die Sorgenfalten ganz anderen ins Gesicht geschrieben. In der SPD jedenfalls, so ist zu hören, fürchtet man eine Kandidatin Künast wie der Teufel das Weihwasser.

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3 Kommentare

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  • R
    reblek

    "... intern aber bewegt die K-Frage die Partei." Findet das mit der A-Z-Frage noch irgendjemand originell?

     

    "Der linke Kreuzberger Parteiflügel hält von diesem Kurs wenig, verteufelt Jamaika..." So, so, die Herrschaften in Kreuzberg haben keine Argumente, sondern sind lediglich mit dem Teufel im Bunde? Wie vernagelt und vernarrt in "Jamaika" muss ein Mensch sein, um so einen Unsinn zu verzapfen?

  • T
    tageslicht

    Sehen Sie, und genau das ist einer der Artikel, die mich konsequent davon abhalten, mein Abo zu verlängern. Ich erkläre Ihnen auch, warum:

     

    Dieses Aufgegeile an Jamaika ist einfach nicht zum Aushalten. Der Machtanspruch, den Sie den Grünen hier einzureden versuchen, begründen Sie damit, dass die Linke ja darüber "nachdenkt", vieleiiiicht auch einen Kandidaten aufzustellen.

     

    Bei allen Macken, die Rot-Rot garantiert hat: Ich kenne nicht einen einzigen Politik-Bereich, in dem ich mir unter Jamaika oder auch nur Schwarz-Grün eine Verbesserung erwarten würde. Die Grünen sind mE immer noch ein wenig stinkig, dass Wowereit nach der letzten Wahl lieber mit der damaligen PDS weiterregieren wollte statt mit denen.

     

    Bleibt noch der linke Kreuzberger Grünenverein. Ein Schelm würde denken, dass dieser Verband nachhaltig von dem linken Relikt Ströbele beeinflusst wäre. Ich mag diesen Mann. Aber er ist kein Repräsentant mehr für seine Partei. Somit sehe ich auch keine Chancen, dass dieser Verband sich durchsetzen könnte. Ich finde es schade, dass der SPD im Roten Rathaus das auf die Füße fällt, was sie im Bundestag vergeigt hat. Auch wenn ich mit einigen Dingen, insbesondere den Projekten von Frau Junge-Reyer nicht einverstanden bin, kann ich sicher sagen, dass der momentante Trend überwiegend auf die Bundesstimmung zurückzuführen ist. Es gibt kein grässlicheres Szenario für meine geliebte Hauptstadt, als dass die Schwarzen sich wie eim Phönix aus der Asche erheben und die Macht in dieser schönen Stadt übernehmen.

  • S
    Schneider

    Wem wollen die Berliner?

    Das ist die entscheidende Frage!

     

    Wer sich bisher für das Land Berlin wenig oder gar nicht interessiert hat, braucht dann auch nicht zu kommen.