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Grüne-Punkt-Ökonomie

■ betr.: „Grüner Punkt ohne Öko- Verpackung“, „Nicht reformier bar“, taz vom 26.1.94

Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker muß Respekt dafür gezollt werden, daß er so lange als Vorsitzender des DSD-Kuratoriums ausgeharrt hat. Nun macht er einem Gewerkschafter Platz. Ob Jürgen Walter von der IG Chemie die Kraft hat, in seiner Seele als Partizipant die Interessen der mächtigen Plastikhersteller und die der gebührenzahlenden Endverbraucher zu vereinen?

Diese fühlen sich weit mehr durch die Umwelt- und Verbraucherverbände, auch teilweise durch ihre Kommunen vertreten. Die Praktiker der „Szene“ wußten, daß um Vertrauen werben und Vertrauen rechtfertigen, zwei ganz verschiedene Paar Stiefel sind. Unter Kennern wird das Kürzel DWA benutzt: Nirgendwo gibt es gefährlichere Haie als im Drogen-, Waffen- und Abfallbereich. Herr von Weizsäcker weist nicht umsonst auf die MdBs im Kuratorium hin, die ihre Informationen in Gesetzesvorlagen ummünzen könnten. Doch bisher merken die Bürger – und hier sind erstmals in der BRD alle gleichmäßig betroffen – davon noch nichts. Und der Frust wächst, wenn nach den mineralischen Bestandteilen des Abfalls jetzt auch der organische Teil zur Sortierung ansteht.

In jeder Handvoll Abfall steckt ein Stück Weltwirtschaft. Die Endnutzer an diesem Verschwendungssystem der nördlichen Erdkugel verstehen allmählich die Ratlosigkeit der Politiker, die ihre Stellung nicht verlieren wollen: Mit Egoismus lassen sich die geoökonomischen Notwendigkeiten nicht anpacken. Der Vorschlag v. Weizsäckers, Primärstoffe und Energie zu verteuern, ist so alt wie die derzeitige Regierung. Sie weiß offenbar nicht, warum die Freizeit der Deutschen liebstes Kind ist: Man kann sich dort der Illusion hingeben, ein Mensch mit eigenen Gedanken zu sein und dem Totalitarismus des ungerechten Mammon zu entrinnen. Politik kann geistige Wende nicht herbeizaubern, aber sie kann dem Wirtschaften die Rolle zuweisen, die es in Wirklichkeit hat: dem leiblichen Wohl zu dienen – sie kann verhindern, daß es die Trägerin einer Weltanschauung wird, die zum Verderb führt. Gisela Canal, Ulm

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