: Grüne Lehr-Initiative
■ Parlament soll Schulsenator zum Handeln zwingen / Lehrstellenlose Jugendliche weiter "Clearing"-Thema
Die Fraktion Bündnis 90/Grüne will einen Parlamentsbeschluß herbeiführen, der noch in diesem Jahr 1.000 zusätzliche Schülerplätze für Jugendliche ohne Ausbildung schafft. „Das ist überhaupt nicht mehr vertretbar“, sagte die Abgeordnete Sybille Volkholz zur Politik von Schulsenator Jürgen Klemann (CDU). Dessen Behörde versuchte gestern bei einer weiteren Clearing-Konferenz, Hunderte unversorgte Jugendliche auf schulische Ersatzmaßnahmen zu verteilen – ohne daß dafür Kapazitäten vorhanden wären. Über 6.000 Berliner SchulabgängerInnen suchen laut Arbeitsamt derzeit noch eine Lehrstelle.
Volkholz fordert ein differenziertes schulisches Ersatzangebot für Jugendliche, die keine Lehrstelle ergattern konnten. Dazu gehörten vor allem Plätze in Berufsfachschulen, an deren Ende ein anerkannter Berufsabschluß stehe. Als Notlösung seien vorübergehend auch die Plätze in sogenannten Vollzeitlehrgängen auszuweiten, sagte Volkholz. Diese stellten lediglich „Warteschleifen“ dar, in denen Hauptschüler ihren Abschluß erweitern könnten. Volkholz' Antrag zielt auf die erste Sitzung des Abgeordnetenhauses nach der Sommerpause.
Dem Schulsenator warf die Grünen-Abgeordnete vor, er reagiere nicht auf die schwerste Lehrstellenkrise seit den siebziger Jahren. Es sei lange bekannt, daß weder das Lehrstellenangebot noch die schulischen Ersatzmaßnahmen in der Stadt ausreichen würden. Die Ex-Schulsenatorin forderte in Briefen gleichzeitig die Kammern auf, sie sollten ihrer Verantwortung für das Duale System (Lehrstelle und Berufsschule) nachkommen. Volkholz berichtete, daß arbeitslose Schulabgänger in ihre Gesamtschule in Wilmersdorf mit der Frage zurückgekehrt seien, was sie nun tun sollten.
Unterdessen ist das bürokratische Verfahren zur Vergabe der – bereits überfüllten – Schulplätze noch voll im Gange. Die Ergebnisse der gestrigen „Clearing-Konferenz“ standen bei Redaktionsschluß noch nicht fest. Im Oberstufenzentrum (OSZ) Reinickendorf, das die arbeitslosen Schulabgänger am Mittwoch erneut eingeladen hatte, suchen formell nurmehr 30 Schüler nach Plätzen in Vollzeitlehrgängen. Über 200 junge Leute sind aber inzwischen nicht mehr aufgetaucht – ohne daß klar ist, ob sie nun eine Lehrstelle ergattert hätten. Im OSZ hätten sie ohnehin nicht bleiben können. „Wir haben weder Platz noch Lehrer“, sagte der stellvertretende Schulleiter Hans-Jürgen Keller. cif
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