Grüne Fraktionssitzung: Viele Zweifel
■ Großer und neuer Knast – aber wo bleibt das Vollzugskonzept?
Mit solchem Zulauf hatten die Grünen nicht gerechnet: 100 Interessierte – RichterInnen, AnwältInnen, Justizbedienstete – waren am Mittwochnachmittag zur öffentlichen Fraktionssitzung über den von Roland Berger vorgeschlagenen Knastneubau erschienen. Die größte Sorge der Versammelten, nachdem der Berger-Gutachter und niedersächsische Ex-Innenstaatsrat Hartmut Wegener die Berechnungen präsentiert hatte: Der betriebswirtschaftlich argumentierte Vorschlag von einer „Sparvariante Großknast“ mit mindestens 700 Plätzen könnte die Debatte um ein nötiges Vollzugskonzept überlagern. Jede Menge Fragen wurden auch zur Kalkulation des Gutachten gestellt: Ob alle Kostenfaktoren solide eingerechnet und auch die strengen Vorgaben des Rechnungshofs zum Mietbau berücksichtigt wurden?
Die Antworten fielen teilweise ernüchternd aus. Beispielsweise sind keine Kosten für den Umbau einer niedersächsischen Einrichtung berechnet, obwohl der Frauenknast im Blockland aufgelöst und die Frauen wegverlegt werden sollen – wogegen die Grünen sind. Auch sind keine Ausgaben für Fortbildung kalkuliert. Obwohl Roland Berger dabei stärkere Kooperation mit Niedersachsen empfohlen hat, gilt die von Justizminister Christian Pfeiffer bereits als Idee aufgenommene Akademie für Führungskräfte im Justizvollzug im Bremer Ressort noch als finanzielle Dunkelstelle. Berger-Vertreter Wegener erklärte, Freiräume für Fortbildung würden sich dadurch ergeben, dass ein erster Planungsschritt die Schließung der Anstalt Blockland vorsehe. Dadurch ergäben sich Personalüberhänge, widersprach er Zweifeln von anwesenden Vollzugsbediensteten. Die Rechnungshofvorgaben seien dabei berücksichtigt worden, betonte er.
Der Neubau ist mit 120 Millionen Mark veranschlagt. Er soll von einem Investor auf städtischem Gelände gebaut werden und nach 30-jährigem Mietkauf in bremisches Eigentum übergehen. Weil er im Vergleich zu den bisherigen drei Knästen Personal- und Bewirtschaftsungsausgaben senkt, rechne er sich. Beobachter bezweifelten die niedrige Kalkulation von 125.000 Mark pro Haftplatz. Gutachter Wegener argumentierte dagegen mit einem vergleichbaren Gefängnisbau in Dresden.
Richter wiesen darauf hin, dass der Bremer Vollzug sich durch vergleichsweise niedrige Rückfallquoten auszeichnet – obwohl überdurchschnittlich häufig vorzeitig entlassen werde. Nun werde mit dem Billiger-Argument eine Verdoppelung der Vollzugsgruppengröße (70 Gefangene/11 Bedienstete) geplant. Dabei wisse niemand, ob die Erfolge des Bremer Vollzugs nicht in eben der Organisationsform liege, die jetzt abgschafft werde.
Der Berger-Experte räumte ein: „Für kriminologische Untersuchungen sind wir die Falschen.“ Auch nicht für volkswirtschaftliche Berechnungen. Ob der bis 2005 vorgeschlagene Wegzug der Justizvollzugsanstalt aus Oslebshausen für Bremen Nachteile bringe, wisse er nicht. Sowas habe der Prüfauftrag des Senats nicht vorgesehen, antwortete er auf kritische Anfragen der Grünen Bürgerschaftsabgeordneten Karoline Linnert.
Der justizpolitische Sprecher der Grünen, Hermann Kuhn, stellte fest, dass eine bremisch-niedersächsische Kooperation die politische Einflussnahme erschweren könne. „Dann schlägt die Stunde der Verwaltung“, warnte er. Der Senat dürfe nur einem Gesamtkonzept für den Neubau und damit verbundenen Kosten zustimmen. Nichts sei schlimmer als eine abgebrochene Umstrukturierung im Bremer Justizvollzug.
Der anwesende Justiz-Staatsrat Ulrich Mäurer betonte: „Wir wollen grünes Licht für einen Neubau ohne Zurück.“ Das Bremer Justizressort sei bereit, in Kooperation mit Niedersachsen für eine Anstalt auf der grünen Wiese „auch inhaltlich Neuland zu betreten“. ede
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