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Grüne Delegation appelliert an Boban

Bündnis 90/ Grüne reisten nach Bosnien / Miliz des bosnischen Kroatenführers hält 300 Hilfs-LKWs für Tuzla auf / Eingeschlossene muslimische Stadt vor Hungersnot  ■ Aus Grude Erich Rathfelder

Noch ist nicht ganz klar, ob die kleine Intervention der Abgeordneten von Bündis 90/ Die Grünen in Bosnien-Herzegowina erfolgreich ist. Gerd Poppe und Vera Wollenberger, die beiden Kämpen der alten DDR-Opposition im heutigen Bundestag, versuchten während ihres Besuches in Bosnien dem Präsidenten der selbsternannten „Kroatischen Republik Herceg-Bosna“, Mate Boban, ein Zugeständnis abzuringen.

Seit dem 5. Juni stehen über 300 Lastwagen zwischen den zentralbosnischen Städten Prozor und Gornij Vakuf, festgehalten von Bobans kroatisch-westherzegowinischer Truppe, der HVO. Ihre Ladung: Mehl und Zucker, Ersatzteile und Kaffee, Konserven und Saatgut.

Vor Wochen hatte der Bürgermeister der Stadt Tuzla insgesamt 500 Fahrzeuge ausgesandt, um das seit zwei Monaten bestehende Embargo Herceg-Bosnas gegenüber dem ehemaligen Bündnispartner zu brechen. Denn seit Anfang April gelangen keine Hilfslieferungen mehr in das von der bosnischen Regierung kontrollierte Gebiet Zentralbosniens, in dem Tuzla liegt.

„Wenn die Konvois nicht mehr durchkommen“, so ein Vertreter der UNO-Flüchtlingsorganisation alarmiert, „gibt es eine große Hungersnot.“ Der UNHCR kann nur 20 Prozent des Bedarfes decken. Als die grünen Parlamentarier, von Zenica in Zentralbosnien kommend, an der kilometerlangen Schlange der 300 wartenden Lastwagen vorbeifuhren, wurde ihnen sehr deutlich, wie verzweifelt die Lage in der Stadt Tuzla ist. „Offensichtlich wurde alles aufgeboten, was in der Stadt noch an Fahrzeugen zur Verfügung stand“, meinte Petra Morave, Koordinatorin der Reise. Als die grüne Bremer Abgeordnete Marie-Luise Beck im Konvoi auch noch einen vor Wochen gestarteten Lastwagen mit Hilfsgütern aus Bremen entdeckte, beschlossen sie, direkt bei Boban zu intervenieren.

In seinem Büro in Grude wehrte Boban die Forderungen der grünen Delegation zunächst einmal ab. Seit den Kämpfen um Travnik sei es um die Sicherheit des Konvois nicht gut bestellt, erklärte er. Die 300 Fahrer warteten lediglich auf die restlichen 200 Fahrzeuge. Zudem würden in Konjić sieben kroatische Dörfer von Muslimanen belagert, die keinen Konvoi durchließen. Dann griff er doch noch zu dem Telefon. Am Nachmittag hieß es dann, die Fahrzeuge hätten sich langsam in Bewegung gesetzt.

Vor der Presse erklärte Mate Boban jedoch später unverblümt, die Verantwortung über den weiteren Fortgang der Dinge falle nun der deutschen Delegation zu. Dies wiesen die Grünen zurück. Bis Novi Travnik sei die Piste vor allem in der Hand der HVO Bobans. Wenn die wollte, wäre die Weiterfahrt des Konvois gesichert. Die Begründung Bobans jedoch, „die Moslems würden den Konvoi beschießen, um den Überfall den Kroaten in die Schuhe zu schieben“, machte manches Delegationsmitglied nachdenklich. Denn als am Ende voriger Woche in Novi Travnik drei Autobusse voller heimkehrwilliger bosnischer Flüchtlinge beschossen wurden – es gab ein Dutzend Tote und viele Verletzte – hatte die kroatische Seite ähnlich argumentiert. „Die Kroaten halten sich an keine Absprachen“, so ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes in Medjugorje.

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