■ Gründungskongreß einer feministischen Partei in Kassel: Lust auf Gegenmacht
„Na endlich“ – so lautete der Schlachtruf bei der Gründung der Feministischen Partei in Kassel. So lautete auch der Selbstzuspuch. Die Gründerinnen älteren Jahrgangs – sie haben langjährige politische Erfahrungen oft in verschiedenen Parteien und Organisationen hinter sich – waren so oder so fest entschlossen. Und sie fanden ihre Parteibasis, jüngere und oftmals ebenso geübte Frauen, die alle miteinander genug davon haben, sich mit den Männern in der Politik herumzuschlagen. Ein eigener Parteiladen muß endlich her, um es der patriarchalen Gesellschaft auszutreiben, Frauen – die 52-Prozent-Mehrheit – nicht an die Macht zu lassen. Die Frauen lassen keinen Zweifel, daß sie nicht zu denen gehören, die Macht scheuen. Sie setzen auf „Gegenmacht“. Deshalb zeigen sie auch geradezu Lust am Parteiritual und an „Handlungsfähigkeit“. Die Frauen wollen das so.
Das Unternehmen wird getragen von einem Bedürfnis nach Identität, nach einem Hort, der die komplizierte Gesellschaft und Politik vereinfacht. Die Reihen werden nach innen geschlossen, Konflikte in sichere Satzungen kanalisiert, die Sehnsucht nach ursprünglicher Solidarität wird so befriedigt. Die politische Arbeit wird fokussiert auf ein Thema, das Patriarchat. Dazu muß ein Feminismus wiedergeboren werden und ideologische Gemeinschaft stattfinden. Zuallererst endet das oft im Affekt gegen Männer, aber auch der ist ja ernst zu nehmen. Die zwangsläufige Kehrseite des Ganzen ist, daß Frauen irgendwie die Besseren sein müssen, wenn nicht qua Natur, dann qua feministischer Politik. Das stärkt und immunisiert gegen Infragestellungen. Dafür akzeptieren Frauen auch eine ordentliche Ordnung unter Frauen. Die Schmalspur führt zusammen. Messianische Züge im Auftreten gehören dazu. Es ist davon auszugehen, daß dieser Gründungsmythos scharf bewacht wird, anderenfalls wäre ja der Sinn des Ganzen unterhöhlt. Gleichzeitig wird gerade dieser Monopolanspruch es der neuen Partei schwermachen.
Unter der Oberfläche finden sich in der Feministischen Partei nicht nur viel Engagement und manch professionelle Kompetenz, sondern auch ein Konglomerat sehr unterschiedlicher politischer Vorstellungen. Alles werden sich diese Frauen kaum nehmen lassen, doch die Parteiführung wird die Dinge unter Kontrolle zu halten versuchen. Die „Mitfrauen“ sind hoch motiviert. Ihnen schwant zwar, daß die Millionen nicht zu ihnen kommen werden, aber die anderen Parteien wollen sie zum Themenwechsel zwingen. Das katalysatorische Vorhaben ist für eine Partei zugleich eher bescheiden. Dem Dilemma, durch ihre Praxis eine weitere Variante „weiblicher Zuarbeit“ bereitzustellen, werden die Gründerinnen nicht entrinnen.
Die Gründung der Feministischen Partei ist weniger ein neuer Aufbruch als die konsequente Fortführung einer Linie innerhalb der Frauenbewegung, die zuletzt mit der Veränderung der Frauenbewegung und gegenüber Frauen in etablierten Organisationen und Parteien keinen größeren öffentlichen Ausdruck gefunden hatte. In ihrem Charakter äußert sich durchaus auch ein Geist der Zeit. Sollen sie ihre Partei haben. In der Frauenbewegung hat frau auch jetzt schon miteinander koexistiert. Mechtild Jansen
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