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Archiv-Artikel

Grün sucht Schwarz

Ob Oldenburg Richtung Jamaika segelt, entscheiden heute die dortigen Grünen. Sie stimmen über ihre Empfehlung für die Stichwahl zum Oberbürgermeister ab. CDU-Kandidat Gerd Schwandner hat gute Karten – und eine grüne Vergangenheit

von Benno Schirrmeister

Shopping-Malls bringen oft Leute zusammen, die sonst nur wenig miteinander zu tun haben. Sogar, wenn sie nur auf dem Papier existieren. Beispielsweise das ECE-Center in Oldenburgs Altstadt: Das Bauvorhaben hat die Grünen der CDU so weit angenähert, dass sie die Schwarzen unterstützen wollen.

Zumindest ist das sehr wahrscheinlich: Heute Abend entscheidet die Mitgliederversammlung der Oldenburger Grünen darüber, ob man in der Stichwahl eine Empfehlung für den CDU-Kandidaten Gerd Schwandner als Oberbürgermeister abgeben sollte. Dafür spricht nicht zuletzt, dass der parteilose Professor aus Karlsruhe sagt: „Das ECE-Center ist überflüssig wie ein Kropf.“ Das war auch Kernaussage des Grünen-Kandidaten Hermann Neemann: „Wir sind angetreten mit der Aussage: Jede Stimme für uns ist eine gegen das ECE.“ Amtsinhaber Dietmar Schütz (SPD) hingegen hatte das Projekt noch knapp vor den Kommunalwahlen durch den Stadtrat gepeitscht.

Das ist nicht der einzige Grund, weshalb sich eine Grünen-Empfehlung für den Platzhirsch verbietet: Dem 63-Jährigen, den hinter vorgehaltener Hand selbst Genossen „unseren Schützenkönig“ nennen, wird allgemein „autokratisches“ Verhalten attestiert. Hart angekommen ist vielen, wie er Bürgerbegehren durch Verweis auf Formfehler abgebürstet hat. Im Stadtrat agiert er kaum anders: So hat der 63-Jährige die Ausschuss-Sitzungen im September kurzerhand abgesagt – angeblich nach Absprache mit den Vorsitzenden. Die aber hatte es höchstens in Einzelfällen und nach Gutdünken gegeben: „Wir Grünen“, so Ratsfrau Susanne Menge in einer geharnischten Erklärung, „haben die Nase voll von dieser Amtsführung.“

Schwandner kann der grüne Ärger nur recht sein. Denn die Grünen wissen sehr gut: Wenn sie den CDU-Kandidaten nicht empfehlen, hat Schütz bereits gewonnen. Schließlich gilt es schon als Überraschung, dass es überhaupt zur Stichwahl kommt: 43,4 Prozent stimmten beim ersten Wahlgang für den eingeborenen Amtsinhaber, nur 26,8 für den Hochschullehrer von außerhalb.

Bloß: Wer ist Schwandner? Und vor allem: Ist er der Richtige? Was gegen Schütz spricht, sei in jedem Fall „viel leichter zu sagen“, so Neemann, bislang kenne man Schwandner ja „nur aus dem Wahlkampf“. Eine achtköpfige Kommission hat den 55-Jährigen deshalb unter die Lupe genommen. Das Ergebnis der Unterredung erfährt heute Abend die Mitgliederversammlung.

Debattiert werden dürfte dabei die politische Vita des Kandidaten. Denn die ist schillernd: „Eine Jamaika-Koalition“, so hat der promovierte Chirurg kürzlich der Pforzheimer Zeitung erzählt, „wäre genau meine Biografie“. Wobei die gelbe Periode nicht ganz so bedeutend ausfällt wie auf der Flagge der Karibik-Monarchie: Sie hat nur die Studentenzeit Mitte der 1970er-Jahre bestimmt.

Für die Grünen hingegen saß Schwandner im baden-württembergischen Landtag. Als Helga Trüpel 1992 in Bremen erste grüne Kultursenatorin wurde, holte sie ihn als Stellvertreter: Beim Blick ins taz-Archiv springen neben dem Spitznamen „Turbodoktor“ und wiederholten Rücktrittsforderungen vor allem wenig schmeichelhafte Umschreibungen wie „der allzu umtriebige Staatsrat“ ins Auge, der „mit dem Drive des allesbesserwissenden Kulturmanagers“ diverse Vorhaben „vollmundig ausposaunt“ habe. Dass die „rauschend den Bach hinunter[gegangen]“ sind, wird auch erwähnt.

„Er war“, erinnert sich Trüpel, mittlerweile Europa-Abgeordnete der Grünen, „sehr schnell im Kopf.“ Allerdings habe er „für seine Ideen nicht genügend geworben“. Wie Schwandner heute sei, könne sie nicht sagen: „Ich habe seit damals keinen Kontakt zu ihm.“

Ein ähnlich rabiater Kurs würde in Oldenburg nicht viel bringen – denn eine Hausmacht hat im neuen Stadtrat keiner: Von 50 haben die Christdemokraten 13, die Grünen elf Sitze, 16 die Sozialdemokraten. Tatsächlich hat der Mediziner Schwandner seit seiner Bremer Zeit nicht mehr für Negativ-Schlagzeilen gesorgt: Weder als Management-Professor in Karlsruhe noch in seinen fünf Jahren als Geschäftsführer des Zentrums für Kunst und Medientechnologie ebendort – einer Top-Adresse, die ihren Weltruf in dieser Zeit erworben hat.

„Eine Reihe von Ermüdungsbrüchen“ habe ihn 2005 zum Austritt aus der Grünen-Partei bewogen, sagt Schwandner. Dennoch: Die Idee vom Bürgerhaushalt, ein Lieblingsprojekt der Grünen, nennt er „ein interessantes Modell“. Dass er da ziemlich weit weg ist von der Mehrheit der CDU, könne „durchaus der Fall sein“.