Grün-schwarze Kernkompetenz: Grüne aus dem Wetterhäuschen
Für die Grünen ist der Atomausstieg unverhandelbar. Die Konsequenzen aber, die sich so für eine Koalition mit der Union ergeben könnten: Igitt
Bei der Frage "Atomstrom oder Schwarz-Grün" funktionieren die Grünen wie ein Wetterhäuschen. Bei diesen rustikalen Luftfeuchtigkeitsmessern tritt je nach Wetterlage die Frau im Sommerkleid oder der Mann mit dem Regenschirm vor die Tür. Bei den Grünen wird das voraussichtlich bis zur Bundestagswahl 2009 so aussehen: Ruft die Union: "Wir wollen mehr Atomstrom", sagen die Grünen: "Mit uns nicht - dann gibts keine Koalition". Regenmann. Dämpft die Union den Ton, werden die Grünen wieder sagen: "Wir sind nach allen Seiten offen." Sonnenfrau.
Zu verlieren haben die Grünen bei diesem Spiel eigentlich nichts. Es ist allerdings anstrengend, seine Offenheit auch für CDU/CSU in stets neuen Variationen zu formulieren, ohne sich auf inhaltliche Kompromisse festzulegen. Viel mehr Spaß macht es, volle Kante über Atomlobby und Atomparteien herzuziehen. Dem Nochparteichef Reinhard Bütikofer bereitet es eingestandenermaßen "eine gewisse Lust", sich gegen den Unions-Vorstoß zur Laufzeitverlängerung in Stellung zu bringen. Die beiden Kandidaten für seine Nachfolge, Cem Özdemir und Volker Ratzmann, überbieten sich gegenseitig in der Formulierung von Ausschlussklauseln: "Da brauchen wir über Jamaika nicht einmal nachzudenken", sagt Özdemir. Die Union habe "jeder Überlegung über eine mögliche Zusammenarbeit die Grundlage entzogen", sagt Ratzmann.
Möglicherweise fällt den Grünen auch auf, dass sich so eine aparte schwarz-grüne Kombination wie in Hamburg auf Bundesebene kaum herstellen lässt: Wenn, dann sprechen die Umfragezahlen für ein Bündnis mit Union und FDP, also die "Jamaika"-Farben. Was den Grünen in einer solchen Kombination abverlangt würde, verursacht selbst hartgesottenen Realos Unwohlsein: Die Sozialpolitik müssten sie mindestens abschreiben. Eine "Ergänzungskoalition", wie Vize-Fraktionschefin Krista Sager das Hamburger Bündnis nannte, in der jede Partei ihr Thema verfolgt, ohne für das Wirken der anderen haftbar gemacht zu werden, wäre das nicht. Eher eine Zerquetschungskoalition.
Schwarz-Grün-Skeptikerinnen wie die andere Fraktionsvize Bärbel Höhn geben anlässlich eines neuen Atomstreits schon zu Protokoll: "Die Chancen von Jamaika habe ich immer bei null eingeschätzt." Lieber denken Linke wie die Realos über eine "Ampel"-Koalition mit SPD und FDP nach. Über einen neuen Atomkompromiss aber scheint entgegen den Behauptungen der CDU bei den Grünen niemand ernsthaft nachzudenken. Außer der ehemaligen Staatssekretärin Margareta Wolf, die aber eben deshalb gerade ihren Parteiaustritt erklärt hat. Der Atomausstieg steht nicht nur "in der Geburtsurkunde" der Grünen (Fraktionschefin Renate Künast), sondern ist auch der einzige große Konsens zwischen den Parteiflügeln. Einen Ausstieg aus dem vom damaligen Umweltminister Jürgen Trittin ausgehandelten Atomausstieg würden die Grünen wahrscheinlich nicht verkraften.
Als unverhandelbar gilt darum nicht bloß ein AKW-Neubau, sondern auch der Vertrag über die Restlaufzeiten der bestehenden 17 Meiler. Bis zu sieben von ihnen müssten bis 2013 vom Netz gehen. Kanzlerin Angela Merkel sagt, über eine Verlängerung der Laufzeiten müsse in der kommenden Legislaturperiode entschieden werden. Sie fürchtet, dass sich ab 2013 mit zehn Meilern, die noch etwa zehn Prozent der Stromversorgung decken, keine Politik mehr machen lässt. Doch wenn sie die Grünen wirklich für "Jamaika" einkaufen will, dann muss sie ihnen den Atomausstieg sicherlich lassen.
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