: Grrls need Modems
■ Das Interent gehört nicht mehr den Männern allein: Frauen suchen Frauen, und sie finden immer mehr Adressen
Seit Wochen bin ich telephonisch nicht mehr erreichbar. FreundInnen können mir höchstens via E-Mail etwas mitteilen. Ich bin online und zur Cyberfeministin avanciert. Schuld daran ist die Virtual Sisterhood. Sie führt den Irrglauben, daß nur männliche Wesen die neuen elektronischen Medien nutzen, ad absurdum. Denn glaubt frau bisher veröffentlichten Umfragen, so ist der typische Internet-User um die dreißig Jahre alt und männlich. Sollte die gern zitierte „Technikangst der Frauen“ auch hier zugeschlagen haben und ich tatsächlich das einzige weibliche Wesen im Cyberspace sein? Ich mache mich auf die Suche nach Frauen. Meine erste Anlaufstation ist die „femina“-Datenbank und Searchengine für Frauen (http://www.femina.com). Nach deren Statistik sind 62 Prozent der Femina-Nutzerinnen zwischen 18 und 35 Jahre alt, 64 Prozent besitzen einen Hochschulabschluß. Das Internet wird von ihnen in erster Linie zu Forschungszwecken genutzt (33 Prozent), gleich darauf folgt die Möglichkeit, E-Mails zu senden (30 Prozent). Neben der komfortablen Searchengine bietet die Datenbank umfangreiche Materialsammlungen zu den Themen Frauen und Business, Computer, Kultur, Erziehung, Unterhaltung, Feminismus und Mädchen.
Ein Hyperlink bringt mich schließlich auf die Spur der Virtual Sisterhood. Die Schwesternschaft, die gerade ein Jahr alt wird, will die Schlagkraft feministischer Organisationen stärken – mit WWW-Seiten (http://www.igc.apc.org/ vsister/) und einen Gopher-Textsuchsystem. „To empower women“, stellen die Cyber-Sisters gleichgesinnten Gruppen ein Jahr lang 0.5 Megabyte Speicherplatz gratis zur Verfügung. Die Schwestern informieren mit Mailing- Lists, Seiten von und für Mädchen, Kunst, Literatur und Musik, Frauen in Wissenschaft und Technologie und Women-Zines (http:// www.igc.apc.org/vsister/res).
Die E-Zines haben es mir besonders angetan: Während ich mir sonst wenigstens einmal die Woche am Kiosk eine Zeitschrift geleistet habe, hole ich jetzt einfach das Neuste auf den Schirm. E- Zines sind elektronische Zeitschriften, die durch das World Wide Web erst möglich werden. Speziell für Frauen gemacht ist die australische „Geekgirl“ (http:// www.next.com.au/spyfood/geek girl). Ihr Themenspektrum reicht von Cyberfeminismus, Buchbesprechungen, Berichten über Frauen in Jugoslawien bis hin zur Kaufberatung für Modems. So kann frau in der Ausgabe „Mermaids and Myths“ in poppige Grafiken eintauchen: „Get your tail wet and discover the mysteries of cyberdeep“ versprechen die Autorinnen, kein Wunder, daß ich mich in den feministischen Weiten des Webs verliere und erst wieder im Electronic Museum der Georgia O'Keeffe materialisiere.
Die Anschaffung einer Soundkarte wird fällig, als ich zum ersten Mal „Cowgals Home on the Web“ betrete. (http:/www.panix.com/ ~cowgal/index.html). Ein Sheriff- Stern entführt mich in die Weiten der Prärie. Wild-West-Heldinnen wie Patsy Montana und Calamity Jane posieren mit rauchenden Colts vor Planwagen, Bluegrass im Real-Audio-Sound dröhnt aus meinen Boxen, weswegen zusätzlich zur Soundkarte ein Pentiumprozessor nötig war. Die Soundclips lade ich mir mitsamt Biographien und Bildern der weiblichen Stars von den Cowgals-Servern. Die ansprechend gestalteten Seiten werden von Edith Frost betreut, einer Frau vom Fach. Sie tourt mit den „Holly Sisters“, einer Country-&-Western-Band, in den USA.
Eines Nachts stoße ich auf folgende Werbung: „Warum sollten Sie“, so erklärt mir die „Women's Pharmacy“, „ihre intimen Produkte in aller Öffentlichkeit kaufen, nur damit sie mit einem Schwangerschaftstest in der Hand einem Arbeitskollegen in die Arme laufen?“ „Stimmt“, denke ich mir und beschließe, meine Tampons online bei der virtuellen Frauen-Apotheke in Amerika zu ordern. Diskreter Hausversand ist zugesichert. Es gibt alles, von Kondomen und Antibabypillen über Hustensaft bis hin zu Schwangerschaftstests, und für die Bezahlung genügt eine Kreditkarte.
Zur Apotheke und anderen kommerziellen Anbieterinnen findet frau über die „Cybergrrl Webstation“ (http://www.cybergrrl .com). Das „politisch korrekte und frauenorientierte Einkaufen“ erfreut sich regen Zuspruchs: Die Seite wurde in den vergangenen drei Monaten über 240.000mal abgerufen.
Zur Sache – das heißt zu Pickeln, dem ersten Freund und Verhütung, kommt „Womenspace“ (http://www.womenspace.com). Hier sind alle Themen behandelt, die Mädchen und junge Frauen während der Pubertät beschäftigen. Das „cool interactive birth control questionnaire“ kann abgerufen werden, und die zehn schlechtesten Gründe, das erste Mal Sex zu haben, stechen sofort ins Auge. Weiß die Leserin noch einige schlechte Gründe mehr, so kann sie sie online hinzufügen.
Was feministische Arbeit angeht, ist die „Women's WebWorld“ (http://www.feminist.org) eine der ersten Adressen. Hier finden sich aktuelle frauenpolitische Nachrichten, Links zu anderen feministischen Seiten und – nicht zu vergessen – eine ganze Menge politischer Aktionen: So läuft momentan unter anderem eine Kampagne, die Präsident Clinton zwingen soll, sich für ein liberaleres Abtreibungsrecht einzusetzen. Um der Aktion Nachdruck zu verleihen, können Protest-Mails zum Präsidenten geschickt werden.
Hat frau nun bei ihren Wanderungen durchs WWW besonders in teressante Seiten aufgespürt oder möchte sie ihre eigene Seite einem größeren Publikum zugänglich machen, so kann sie sich zur Digital Amazon Link-O-Rama Page (http://www.digizon.com/resour ces/links.html) begeben. Hier können Titel und URL zusammen mit einem Stichwort eingegeben werden, unter dem die Seite der Wahl dann wiederum anderen Benutzerinnen mit einem Hyperlink zugänglich wird. Um Mißbrauch zu verhindern, kontrollieren die Amazonen die eingegebenen Locations, und alles, was nicht frauenspezifisch ist, wird gnadenlos entfernt. Barbara Mayer
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