Großteil der Bahnhöfe barrierefrei: Die Bahn kommt – auch für Behinderte
Deutsche Bahnhöfe stehen zunehmend auch Behinderten offen. Allerdings nicht überall gleich gut: Im Saarland ist nicht einmal jede zweite Station mit Rollstuhl erreichbar.
BERLIN taz | In Deutschland sind über 70 Prozent der Bahnhöfe barrierefrei. Das ergab eine Untersuchung des Bündnisses "Allianz pro Schiene". Allerdings existieren zwischen den einzelnen Bundesländern erhebliche Unterschiede. Schlusslicht ist das Saarland mit gerade mal 44 Prozent. Spitzenreiter ist Schleswig-Holstein. Hier sind 88 Prozent der Bahnhöfe auch Menschen mit Behinderungen oder Eltern mit Kinderwagen zugänglich.
Für Dirk Flege, Geschäftsführer der Schienenallianz, sind die Unterschiede ein "Beweis dafür, dass die Länder unterschiedlich viel für ihre Bahnhöfe tun". Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, beide liegen über dem deutschen Durchschnitt, hätten beispielsweise Förderprogramme aufgelegt, die auch die Schaffung von Barrierefreiheit berücksichtigten.
Nach Auffassung der Bundesregierung liegt es jedoch allein in der Verantwortung der Bahnunternehmen, für den Umbau ihrer Haltepunkte zu sorgen. Das geht aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor. Nach der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung hätten sie den Auftrag, Bauprogramme aufzulegen, die den Zugang zum Gleis ermöglichen.
Das brauche aber Zeit und sei darüber hinaus mit erheblichen finanziellen Belastungen verbunden. Auch die UN-Behindertenrechtskonvention sehe vor, dass die Mitgliedstaaten ihren Mitteln gemäß und nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Rechte von behinderten Menschen schrittweise umsetzten. Das gelte auch in Sachen Barrierefreiheit.
Dass die Unternehmen alleine in der Verantwortung stünden, will Schienenlobbyist Flege nicht gelten lassen. "Die Finanzierung der Bahnhöfe ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Deutscher Bahn, Bund, Ländern und Kommunen." Nicht alle Haltepunkte befinden sich im Besitz der Bahnunternehmen. Manche Bahnhofsgebäude gehören den Kommunen, ebenso die Bahnhofsvorplätze.
Das Problem müsse ganzheitlich angegangen werden, fordert Barbara Mauersberg, Sprecherin der Schienenallianz. Schließlich sei eine Reise auf dem Bahnsteig nicht zu Ende, man müsse den Bahnhof auch problemlos verlassen können.
Dirk Flege fordert alle Beteiligten auf, auch nach dem Auslaufen der Konjunkturpakete Geld in die Barrierefreiheit zu investieren. Denn die Kehrseite der Medaille sei, dass immer noch fast 30 Prozent der Bahnhöfe auf den Umbau warten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind