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Großstadtflair mit Sumpf und Luxus

■ Kommt Bewegung in die Innenstadtdiskussion? / Ortsamt Mitte kompromißbereit

Hucky Heck hat es satt: Seit zehn Jahren diesselben Diskussionen um die dahinsiechende Innenstadt. Beispiel Martini- und Obernstraße: Die einen wollen die Straßenbahn unter die Erde verlegen, die anderen in die Martini-Straße, die einen die Autofahrenden unter der Erde, die anderen die FußgängerInnen. Unterdessen siecht die City weiter vor sich hin. Ein Runder Tisch muß her, finden der Leiter des Ortsamtes Mitte/Östliche Vorstadt und seine wackeren MitarbeiterInnen. Solch einenRunden Tisch gibt es noch nicht, nur Hearings und Vortragsreihen.

Gestern nun stellte Heck nicht etwa ein weiteres Konzept vor, sondern faßte die Diskussion zusammen und lud alle Beteiligten zu einer „Arbeitsgemeinschaft Innenstadt“ ein — notfalls unter seiner Moderation. Für einen Konsens würde er auch die Kampflinie verlassen. Eins der Friedensangebote: Das Ortsamt Mitte werde nicht länger auf einer autofreien Martinistraße beharren, nur noch auf einer verkehrsberuhigten — wenn... und jetzt bitte die anderen.

Jetzt wäre vor allem der Wirtschaftssenator dran. Der nämlich, so Heck, beharre halsstarrig auf Großprojekten: Großkaufhäusern, Parkhochhäusern und großen Ladenpassagen ... zum Beispiel im Börsenhof, im Polizeihaus, gar in der Hauptpost. Solch ein Einkaufswunderland sei ein Erledigungsort, aber kein Erlebnisort, findet die gegenerische Seite (Ortsamt, Senator für Bau und Senator für Umwelt und Stadtplanung). Das sei nicht nur unsensibel gegenüber der Altstadt, sondern gehe auch an den Wünschen der Bevölkerung vorbei. Die InnenstadtbesucherInnen nämlich lechzen nach mehr Bäumen, Sitzmöglichkeiten, Ruhezonen, Fußgängerbereichen und Cafes. Parkplätze kommen erst an sechster Stelle (Prisma- Gutachten von 1986).

Aufenthaltsqualität ist also gefragt. Wie man die kriegt? Nicht mit Großkaufhäusern und Passagen, sondern mit kleinen Geschäftchen, mit vielen Wegen dazwischen, Ecken, wo es was zu entdecken gibt. Hier ein bißchen Luxus, dort ein bißchen Sumpf — auch das gehört zum Großstadtflair, schwärmt der Ortsamtsleiter.

Nötig sind also mehr 1a-Lagen für Fachgeschäfte, damit die Mieten für Gewerberäume sinken. Und hier liegt der Hund begraben: Mehr 1a-Lagen mit Wegebeziehungen zum Flaniren dazwischen sind nur zu haben, wenn der Durchgangsverkehr abgeschafft wird. In die Martinistraße dürfte beispielsweise nur noch fahren, wer sie als Ziel hat. Außerdem könnte Platz gewonnen werden, spinnt das Ortsamt weiter, indem alle Parkplätez an Straßen und auf Blockinnenhöfen abgeschafft würden (Anwohner dürften in einem Gürtel um die Innenstadt parken).

Eine attraktive Innenstadt, das weiß Heck, zieht selbst auch Verkehr an. Idee des Ortsamtes: Autoverbot zwischen sechs und neun Uhr morgens, damit die PendlerInnen auf Bus und Bahn umsteigen! Ja doch, sagt Heck, man muß sich an die Spitze der Bewegung setzen, ganz Europa würde von Bremen sprechen. Jetzt sei Bremen doch absolutes Mittelmaß, unterscheide sich nicht wesentlich von Bochum oder Dortmund. Aber natürlich wäre ein morgendliches Fahrverbot nicht der erste Schritt in einem 10-Jahres-Konzept, sondern vielleicht der neunte.

Die Ortsamts-MitarbeiterInnen sprudeln vor Ideen: Allein die Vorstellung, daß mit der Beruhigung der Martinistraße die Unterführung von der Böttcherstraße zur Schlachte überlüssig werden könnte, man sich also nie wieder schämen müßte, dort BesucherInnen längs zu führen!

„Wir haben schon die ersten für solch einen Runden Tisch angesprochen“, erzählt Heck, „nur — wir sind das Ortsamt, wir haben kein Mandat, eigentlich müßten das die Senatoren Fücks und Jäger tun“. cis

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