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Großrazzia gegen rechtsradikale Gruppierung

■ „Direkte Aktion/Mitteldeutschland“ im Visier der Polizei / Durchsuchungen im ganzen Bundesgebiet mit Schwerpunkt Brandenburg / Verbot angestrebt

Potsdam (taz) – Eine Großrazzia gegen Mitglieder der rechtsextremistischen Gruppierung „Direkte Aktion/Mitteldeutschland“ (JF) hat gestern morgen in fünf Bundesländern stattgefunden. Auf Veranlassung des Bundesinnenministeriums wurden in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen über fünfzig Wohnungen, Postfächer und Büros durchsucht.

Ziel der Razzia war laut Brandenburgs Verfassungschef Wolfgang Pfaff, „so viele Beweise zu sammeln, damit die Gruppierung verboten werden kann“. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ist die JF, eine Nachfolgeorganisation des „Förderwerks Mitteldeutsche Jugend“ (FMJ), eine der aktivsten Gruppen in der Neonazi-Szene.

Der Schwerpunkt der Razzia lag im Land Brandenburg, wo sich in Hennigsdorf, Kremmen und Velten die Zentren der Organisation befinden. Nach ersten Informationen stellten hier mehrere hundert Beamte in 43 „Objekten“ rechtsradikales Propagandamaterial, unter anderem auch Papiere der verbotenen „Deutschen Alternative“ (DA), sicher. Nähere Informationen zu den beschlagnahmten Gegenständen kündigte Brandenburgs Innenminister Alwin Ziel (SPD) für heute an. Verhaftungen und Waffenfunde hat es offenbar nicht gegeben.

Ziel hatte sich bereits im Juni letzten Jahres für ein Verbot des „Förderwerks Mitteldeutscher Jugend“ ausgesprochen. Die Ankündigung erfolgte, nachdem das FMJ am Bützsee im Kreis Neuruppin eine „Sonnenwendfeier“ organisiert hatte, zu der rund 200 Neonazis aus der ganzen Bundesrepublik angereist waren. Die Sprecherin des Innenministeriums, Helga Wanke, erklärte gestern, daß es Bundesinnenminister Kanther vorbehalten sei, „die Organisation, die national tätig ist, zu verbieten“.

Nach Informationen des Verfassungsschutzes sind das FMJ und die „Sozialrevolutionäre Front“ (SrA) aus der im November 1992 verbotenen „Nationalistischen Front“ (NF) hervorgegangen. Als Kontaktadresse der FMJ-Zeitung Angriff firmierte lange Zeit der NF-Stützpunkt im brandenburgischen Velten. Im Angriff offenbarte sich die Organisationsstruktur des FMJ nicht anders als die der „NF“: das FMJ als Massenorganisation, die SrA als „Kaderpartei“. Für die Mitgliedschaft im FMJ genügte „deutsch sein, handeln und fühlen“. In die SrA wird nur aufgenommen, wer sich „militärisch ein- und unterordnen kann“. Das FMJ zählt in Brandenburg zwischen 50 und 80 Mitglieder. Es löste sich offiziell im Juni 1993 selbst auf, um einem Verbot zuvorzukommen. Anja Sprogies

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