: Große Götter, handgemacht
■ Bremer Rentner schnitzt in seinem Keller überlebensgroße Buddha-Figuren
Erhaben thront der japanische Buddha im „Schneidersitz“ auf einem verzierten Sockel. Seine linke Hand liegt auf dem Oberschenkel, die rechte ist gebieterisch nach vorn gestreckt. Der Buddha ist fünf Zentner schwer und innen hohl. Sein Leib besteht aus Lindenholz und ist mit goldener Farbe bemalt. Flankiert wird er von zwei kleineren kunstvollen „Kollegen“. Auch an der Wand hängen Buddhas, und auf einem Eckregal sind fingergroße „Brüder“ plaziert.
Der buddhistische „Tempel“ steht nicht in Thailand, Japan oder Indien. Er liegt inmitten eines Arbeiterviertels in Bremen. In ihm wird auch nicht gebetet, sondern geschlafen. Die „heilige Stätte“ ist das kleine Schlafzimmer des 71 Jahre alten Rentners Hans Minder. Er ist der Schöpfer all dieser akribisch naturgetreuen, fernöstlichen Figuren. Der ehemalige Modellschreiner ist wohl der einzige in Deutschland, der mit dem Schnitzen von überlebensgroßen und kleineren Buddhas einen erheblichen Teil seines Lebensabends verbringt. Verkauft oder verschenkt wird keine der Figuren. „Diese Buddhas sind alle meine Freunde“, erklärt Minder. Er könne sich
einfach nicht von ihnen trennen. Seit 15 Jahren geht Minder diesem außergewöhnlichen Hobby nach. Im Winter arbeitet er sechs, im Sommer drei Stunden pro Tag in seinem Keller. Alle Buddhas sind handgearbeitet. An dem Fünf-Zentner-Koloß arbeitete er ein ganzes Jahr.
Als Vorlagen dienen ihm Abbildungen in Büchern und Fotos, die er selbst in Museen gemacht hat. Gelegentlich bringen ihm frühere Arbeitskollegen Fotografien aus dem Urlaub mit, beispielweise aus Malaysia.
Eine simple Frage war es, die Hans Minder zum Buddha- Schnitzer werden ließ. Jemand hatte ihn einmal gefragt, ob er wisse, wie so ein Buddha aussehe. Das wußte er nicht. Also schlug Minder, der sich seit seiner Kindheit für die asiatische Geschichte interessiert, in der Literatur nach. Von da an begann er, die Figuren in Holz zu verewigen. Eine in Bremerhaven lebende thailändische Familie, die von seiner Kunstfertigkeit gehört hatte, bat ihn sogar voller Bewunderung, ihr doch einen Buddha für die häusliche Gebetstätte anzufertigen.
In Asien war Hans Minder übrigens noch nie. Buddhist ist er auch nicht. Aber er hält den Buddhismus für die „ehrlichste Religion“. Und das ist vielleicht auch ein Grund dafür, daß er gern einen fünf Meter großen Buddha schnitzen würde, wenn ihm jemand eine Werkstatt zur Verfügung stellt.
Gert Simberger /dpa
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