Großdemo von Ärzten und Pflegern: "Politik spart die Kliniken krank"
Rund 135.000 Pfleger, Ärzte und Angestellte aus dem gesamten Land demonstrierten für mehr Geld und mehr Personal an den Kliniken. Die Krankenversorgung sei in Gefahr.
Irgendwie passte das Wetter nicht zur dramatischen Botschaft der Demonstranten. Unter einem strahlenden Herbsthimmel prangten am Donnerstag in Berlin Plakate mit Aufschriften wie "Genug gespart" oder "Politik spart die Kliniken krank". Die nach Polizeiangaben rund 135.000 Ärzte, Verwaltungs- und Pflegemitarbeiter machten den Aufmarsch am Brandenburger Tor zur größten Demonstration von Klinikmitarbeitern in der Geschichte der Republik.
Die Botschaft des Bündnisses aus Gewerkschaften, Klinikbetreibern und Kommunen klang drohend: Wenn die 2.100 Krankenhäuser bis Ende 2009 nicht insgesamt 6,7 Milliarden Euro mehr vom Bund bekommen, können sie die Versorgung der Bürger nicht mehr gewährleisten. Mehr als die Hälfte der Häuser drohten trotz eifrigen Sparens in die roten Zahlen zu rutschen oder seien bereits defizitär. Zehntausende Stellen seien in Gefahr, dabei reiche schon heute die Zeit nicht mehr für eine angemessene Betreuung der Patienten.
Die am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossene Finanzspritze reiche bei weitem nicht aus, klagte der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Rudolf Kösters. Während Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) vorrechnet, ihr Gesetzentwurf bringe den Hospitälern ab 2009 drei Milliarden Euro mehr, ist es laut Kösters nicht einmal die Hälfte.
Der Chef des Klinikärzteverbands Marburger Bund, Rudolf Henke, verlangte eine hundertprozentige Refinanzierung der Tarifsteigerungen in den Kliniken. Die Klinikärzte haben sich im Frühling Lohnsteigerungen für 2008 von durchschnittlich 4 Prozent und für 2009 um weitere 3,8 Prozent erstreikt. Ulla Schmidt will dies nur zur Hälfte durch höhere Beiträge der Versicherten ausgleichen. Die Kassenbeiträge werden laut der Ministerin allein wegen der Klinikhilfen zum Jahresbeginn um 0,3 Prozentpunkte steigen.
Viele Demonstranten trugen Transparente und T-Shirts mit der Aufschrift "Der Deckel muss weg". Dahinter steckt die langjährige Forderung, die Kliniketats von der Entwicklung der Versichertengehälter zu entkoppeln. Seit 1994 dürfen die Budgets der Krankenhäuser nur so stark steigen wie die Durchschnittsgehälter im Jahr zuvor. In diesem Jahr wachsen die Etats deshalb nur um 0,64 Prozent. Viel zu wenig, klagen die Demonstranten, denn die Kosten explodierten: Mehrwertsteuererhöhung und Inflation drücken auf die Etats, ebenso Steigerungen bei Gehältern, Arznei- und Energiepreisen.
Der "Deckel" war eine Erfindung der schwarz-gelben Bundesregierung und sorgt seit 1994 für einen rigiden Sparkurs in den Krankenhäusern. Tausende Betten und zigtausende Stellen wurden eingespart, Kliniken privatisiert oder mit anderen Häusern zusammengelegt. Nun gebe es nichts mehr zu rationalisieren, klagen die Klinikvertreter.
Taktisch geschickt hat die Gesundheitsministerin diesen Deckel am Vortag der Demonstration angehoben. Das Bundeskabinett beschloss als Teil der Finanzspritze, ab 2011 werde die Kostenentwicklung sich nicht mehr an der Gehaltsentwicklung orientieren, sondern an einem realistischeren Wert, den das Statistische Bundesamt 2010 festlegen werde. Wie hoch der sein wird, ist unklar.
Bis dahin will Ulla Schmidt mit dem Geld der Beitragszahler 21.000 zusätzliche Stellen in der stationären Pflege finanzieren. Auch der sogenannte Sparbeitrag in Höhe von 230 Millionen Euro, mit dem die Kliniken jährlich die Kassenetats entlasten müssen, fällt ab 2009 weg. Mehr Geld will die Ministerin auf keinen Fall herausrücken.
Aus Sicht der Krankenkassen sind nun die Bundesländer am Zug. "Wenn die Länder ihren Verpflichtungen ebenfalls nachkämen, wären die Krankenhäuser insgesamt gut finanziert", sagte Johann-Magnus von Stackelberg vom GKV-Spitzenverband.
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