Großdemo gegen "Stuttgart 21": Schluss mit mau
Tausende haben in Stuttgart wieder gegen das Bahnhofsprojekt "S 21" demonstriert. Ihr Protest richtet sich gegen den Stresstest der Bahn und den Ulmer Bürgermeister.
STUTTGART taz | Mit der ersten Großdemonstration nach der Weihnachtspause hat sich die Bewegung gegen "Stuttgart 21" zurückmeldeten. Am Samstag gingen nach Veranstalterangaben in der baden-württembergischen Landeshauptstadt mehr als 40.000 Menschen gegen das Bahnprojekt auf die Straße. Die Polizei sprach von 13.000.
Während Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem CDU-Landesparteitag in Donaueschingen davon sprach, dass der Widerstand dem Land schade, zeigten die Gegner gleichzeitig auf der Straße, dass für sie "Stuttgart 21" noch immer ein wahlkampfentscheidendes Thema ist.
Zuletzt war es etwas ruhig geworden um die Bewegung, zumindest über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus. Aber auch in Stuttgart selbst schienen sich manche Leute nach dem Schlichtersparuch und der Weihnachtspause wieder anderen Dingen zugewendet zu haben. In der Innernstadt und in den U-Bahnen schienen sich weniger Button-Träger zu zeigen und die Montagsdemo wurde selbst von Anhängern der Bewegung zuletzt als etwas "mau" bezeichnet.
Doch davon sollte am Samstag nichts mehr zu spüren sein. "Dieser Tag straft alle Lügen, die gedacht haben, dass man unseren Widerstand einfach wegschlichten kann", sagte Hannes Rockenbauch vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 auf der Bühne.
Andere Redner thematisierten unter anderem den Stresstest, den die Bahn am Ende der Schlichtung zugesagt hatte. Mit diesem will sie nachweisen, dass der geplante Tiefbahnhof in der Spitzenstunde im Berufsverkehr 30 Prozent mehr leisten kann als der bestehende Kopfbahnhof. Wütend sind die Gegner, weil die Bahn diesen Test selbst durchführen will. "Ein solcher Stresstest kann nie und nimmer transparent sein", sagte der Grünenpolitiker und Vorsitzendes Verkehrsausschusses im Bundestag, Winfried Hermann. "Das können wir nicht akzeptieren." Fertig werden soll der Stresstest erst bis Mitte diesen Jahres, weshalb die meisten jetzt sowieso erst einmal auf die Landtagswahl Ende März blicken.
Die hatte Merkel zum Volksentscheid über das Bahnprojekt erklärt. "Wir nehmen unsere Kanzlerin bei Wort", sagte die grüne Landtagskandidatin Muhterem Aras. "Wir werden wählen gehen und die Tunnelparteien müssen sich warm anziehen."
Die Frage ist jedoch: Was kommt nach der Wahl? Und da zeigt sich inzwischen selbst manch ein S21-Gegner eher pessimistisch. SPD und Grüne versprechen bei einem Wahlsieg, das Volk zum Bahnhof zu befragen. "Ich weiß nicht, ob das für uns reichen würde", sagte ein junger Mann der taz. Er sei skeptisch, wie die Stimmung außerhalb Stuttgarts ist. "Ich schätze, dass wir auch im April noch auf die Straße gehen müssen, um die Leute zu überzeugen."
Für viel Unmut und Kritik hatte unterdessen eine Meldung aus Ulm gesorgt. Auf eine Anfrage der Ulmer Grünen hin hatte Oberbürgermeister Ivo Gönner (SPD) zugegeben, mit Steuermitteln für Stuttgart 21 geworben zu haben. Unter anderem bezahlte die Stadt Bahntickets für Teilnehmer von Pro-S21-Demos. Gönner begründete das Vorgehen damit, dass die zügige Umsetzung des Bahnprojekts "im Interesse der Stadt" sei.
Für eine Kundgebung im Oktober vergangenen Jahres habe die Bauverwaltung Fahrkarten organisiert. "Interessierte Mitreisende aus dem Gemeinderat und der Verwaltung" seien die Teilnehmer gewesen. Darüberhinaus seien auch Buttons, Anstecknadeln, Fahnen und ähnliche Werbematerialien auf Kosten der Steuerzahler angefertigt worden.
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