piwik no script img

„Groß und gut in der Luft“

Sami Hyypiä hat Liverpools Abwehr zur stabilsten in der englischen Liga sowie der Champions League gemacht. Dabei spielt der Finne zwar äußerst kompromisslos, aber stets auch fair

aus Liverpool RAPHAEL HONIGSTEIN

Als Sami Hyypiä im Sommer 1999 vom FC Liverpool als einer von sieben ausländischen Neuverpflichtungen vorgestellt wurde, hielt sich die Begeisterung bei Fans wie lokalen Journalisten in überschaubaren Grenzen. „Sami who?“ raunte es durch Anfield, denn von dem für 2,6 Mio. Pfund vom holländischen Vizemeister Willem II gekauften Finnen hatten bis dato nur die allerwenigsten gehört. Selbst Trainer Gérard Houllier konnte nur bedingt Aufklärung leisten. „Er ist groß und gut in der Luft“, sagte der Franzose, „als Innenverteidiger in der englischen Premier League muss das auch so sein. Außerdem passt er den Ball gut, mit links wie mit rechts.“

„Die Erwartungen waren bei mir wirklich nicht sehr hoch“, erinnert sich auch Hyypiä, „aber ich denke, das kam mir entgegen.“ Tatsächlich wurde der 1,92 Meter große Mann dank überraschend starken Leistungen sofort Stammspieler und trug nach gerade mal drei Monaten im Team in Vertretung des verletzten Robbie Fowler zum erstenmal die Kapitänsbinde. Heute, knapp drei Jahre und fünf gewonnene Titel später, ist er nicht nur etablierter Spielführer an der Mersey, sondern auch der unbestritten beste Verteidiger der englischen Liga. Woche für Woche erhält er für sein hervorragendes Stellungsspiel und seine sagenhafte Zweikampfstärke völlig zu Recht blendende Kritiken; „hoch wie die Kathedrale von Liverpool steht er in der Abwehr, unüberwindbar wie eine Ziegelmauer“, jubelt nicht nur der Londoner Guardian.

Selbst chronische Nörgler wie die BBC Co-Kommentatoren Alan Hansen und Mark Lawrenson hat Hyypiä überzeugen können. Beide spielten Ende der 70er-Jahre, zu glorreichen Zeiten, in der Liverpooler Abwehr, beide ärgerten sich fast die gesamten 90er maßlos über die Defensivdefizite ihres Vereins, und beide sind sich heute genau wie der Daily Telegraph ganz sicher, dass die „Reds“ mit dem Finnen und dem Schweizer (und Ex-HSV-Spieler) Stéphane Henchoz „die beste Innenverteidigung Europas“ stellen.

Gerade mal sieben Gegentore in 12 Champions-League-Spielen belegen vor dem heutigen Viertelfinale gegen Bayer Leverkusen diese These – nur das bayerische Abwehrbollwerk vor Oliver Kahn ließ in den Gruppenphasen so wenig eigene Verluste zu. Auch in der Liga könnte die von Hyypiä stets ruhig und sachlich organisierte Defensive im Titelrennen gegen Arsenal und Manchester United den Ausschlag geben: In 33 Spielen musste Jerzy Dudek erst 26-mal hinter sich greifen, kein Team bekam weniger Gegentreffer.

Daran hat zwar neben dem famosen polnischen Torwart auch das defensive Mittelfeld um Dietmar Hamann seinen Anteil, doch es ist immer wieder Hyypiä, der mit seinen Grätschen und gewonnenen Kopfbällen den Laden mit professioneller Kompromisslosigkeit dicht hält. Vor allem aber sorgt er dafür, dass Liverpool trotz vergleichbar geringen Ballbesitzes selten in Rückstand gerät und die manchmal wenig ansehnliche Kontertaktik des Teams so erfolgreich sein kann. Trotz der gesunden Härte seines Spiels gibt es dabei kaum einen faireren Mann auf der Insel: In der letzten Saison, als die Elf Uefa-, FA- und Liga-Pokal gewann, sah Hyypiä keine einzige gelbe oder rote Karte.

Seine Verpflichtung gilt Experten mittlerweile als Houlliers Meisterstück. Dass eher Stürmer wie Emile Heskey und Michael Owen den großen Ruhm ernten, liegt in der Natur des Fußballs, doch Hyypiä fühlt sich wohl in der Rolle des heimlichen Stars. Der bescheidene Junge kommt aus Voikkaa, einem 3.000-Seelen-Ortschaft 160 Kilometer nördlich von Helsinki. „Dort gab es eine Papierfabrik, und sonst nichts“, erinnert er sich. Der Vater war sein erster Trainer beim Lokal-Klub Pallo-Peikot, später wechselte er zu KuMu und von dort zu Myllykosken Pallo Anjalankoski 47 in die Erste Liga, bevor ein Späher von Liverpool ihn in der finnischen Nationalmannschaft entdeckte. Schon früh wusste er: „Die schönsten Tricks auf dem Platz bringen nichts, wenn du am Ende nicht gewinnst.“ Der Satz ist sein Motto geworden. Mehr sagt er ungern. Seine Privatsphäre bewacht er ähnlich rigoros wie den eigenen Strafraum. Immerhin: Markus Babbel hat berichtet, dass Hyypiä sein Faible für Heavy-Metal-Musik teilt. Ansonsten weiß man sehr wenig über den Hünen. Hyppiä will es so.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen