: Größter Wohnungsverkauf der Ruhrgeschichte
Thyssen-Krupp hat auf einen Schlag 48.000 Werkswohnungen im gesamten Ruhrgebiet verkauft. Das Land will die MieterInnen erst einmal sich selbst überlassen, Mieterverbände warnen vor Panik. „Niemand muss jetzt ausziehen“
RUHR taz ■ Die MieterInnen im Ruhrgebiet hat eine neue Verkaufswelle erreicht: Thyssen-Krupp hat am Mittwoch seine 48.000 Werkswohnungen für 2,1 Milliarden Euro verkauft. Nach der Veräußerung von 30.000 Viterra-Wohnungen und etwa ebenso vielen Wohnungen der Bundesversicherungsanstalt Gagfah ist dies schon der dritte Massenverkauf in diesem Jahr. Betroffen sind vor allem Mieter–Innen in Duisburg, Essen, Mülheim, Oberhausen und Gelsenkirchen, hier gehörten Thyssen Krupp ganze Straßenzüge mit vorwiegend Altbauwohnungen.
Käufer des Pakets sind die US-Bank Morgan Stanley und die Corpus-Gruppe, die aus den drei Stadtsparkassen Düsseldorf, Köln und Frankfurt besteht und führend auf dem NRW-Immobilienmarkt ist. Die Gruppe hatte erst vor wenigen Jahren 11.000 Postwohnungen und etwa 10.000 Axa-Wohnungen gekauft. „Unsere Mieter haben absolut nichts zu befürchten“, sagt Karina Junghans, Sprecherin der Corpus-Gruppe. Ihr Unternehmen sei ja froh, die Mieter überhaupt zu haben und lege großen Wert auf sozial verträgliche Privatisierungen. Spezielle Vereinbarungen seien nicht vorgesehen. „Die Mieter sind vom Gesetzgeber außerordentlich gut geschützt.“
Diese hingegen fühlen sich gar nicht sicher. „Bei einem Verkauf in dieser Größenordnung müssen wir mit Nachteilen für die MieterInnen rechnen“, sagt Horst Neureiter vom Mieterschutzverein Duisburg. In der Hafenstadt wechseln 20.000 Wohnungen ihren Besitzer. „Das Profitstreben der Käufer wird dazu führen, dass die Mieter draufzahlen.“ Zum Beispiel könnten sie höhere Mieten zahlen müssen oder ihre Wohnung werde privatisiert. Nach einer Schonfrist von bis zu acht Jahren könnten die MieterInnen dann wegen Eigenbedarfs hinausgeklagt werden. „Dann muss das Land einschreiten“, sagt Neureiter. Vorstellbar seien zum Beispiel Mietzuschüsse oder besondere Garantien.
Das Städtebauministerium will „zunächst einmal abwarten“, so Sprecherin Heike Dongowski. Das Land erwarte einen festen Mieterschutz und werde „genau hinsehen“. Zumindest sei die Corpus-Gruppe in Deutschland verankert, das sei schon einmal positiv. „Wir würden auch wieder moderieren, wenn es Ärger gibt“, sagt Dongowski. Nach den Viterra-Verkäufen Anfang des Jahres hatte das Städtebauministerium mit dem Essener Konzern einen Verhaltenskodex vereinbart, der die MieterInnen auf Jahre absichern soll.
Der Mieterbund NRW warnt auch vor panischen Aktionen der MieterInnen. „Ruhe bewahren, Infos einholen“, beschwört der NRW-Vorsitzende Walter Goch. Erfahrungsgemäß entstehe nach solchen Verkäufen enorme Unruhe, die Menschen würden über Nacht eine neue Wohnung suchen oder geben alles für ihren Kauf. „Da verschulden sich 70-Jährige haushoch, obwohl sie einfach wohnen bleiben könnten“, sagt Goch. Trotzdem plädiert auch er dafür, dass sich das Land engagiert. ANNIKA JOERES