Griechenlands unvollständige Sparpläne: Neue Löcher im Athener Haushalt
Während die Troika verärgert abreist, gibt es Gerüchte über einen weiteren Schuldenerlass. Die Deutschen wären mit 15,2 Milliarden Euro dabei.
BRÜSSEL/BERLIN taz | Die Griechenland-Krise ist wieder da. Bereits einen Tag vor dem geplanten Ende ihrer Inspektion reiste die internationale Troika gestern überraschend aus Athen ab – offenbar aus Ärger über unvollständige Sparpläne. Gleichzeitig machten Gerüchte die Runde, Griechenland brauche erneut einen Schuldenschnitt. Diesmal sollen die öffentlichen Gläubiger – also die Steuerzahler auch in Deutschland – bluten.
Die Reaktion aus Berlin kam prompt: Die Frage nach einem Schuldenschnitt „stellt sich nicht“, bürstete der Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Freitag alle Fragen ab. „Man muss nicht jeder Spekulation nachrennen“, fügte er hinzu. Die Financial Times Deutschland hatte berichtet, nach den Banken müssten bald auch die Staaten auf einen Teil ihrer Forderungen an Griechenland verzichten.
Es gehe um die bilateralen Kredite der Euroländer aus dem ersten Hilfsprogramm in Höhe von 53 Milliarden Euro, schreibt das Blatt. Deutschland wäre mit 15,2 Milliarden dabei. Da 2010 beim ersten Hilfsprogramm noch keine Zustimmung des Bundestags nötig war, könnte der Schuldenschnitt am Parlament vorbei abgewickelt werden, so die FTD. Nur der Haushaltsausschuss müsse informiert werden.
Dass eine Umschuldung nötig werden könnte, glaubte unlängst auch Commerzbank-Chef Martin Blessing. Die scharfe Rezession reißt immer neue Löcher in den Athener Staatshaushalt. Gleichzeitig betont die Regierung, die Sparvorgaben der Troika später als geplant erfüllen zu können. Das Gremium besteht aus Experten von Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission.
EZB stellt sich stur
Der IWF ist jedoch weder bereit, die Vorgaben für den Schuldenabbau zu korrigieren, noch möchte er höhere Kredite gewähren. Auch die EZB stellt sich stur. Der schwarze Peter liegt also bei den Euroländern. Sie müssen entweder Geld nachschießen oder auf alte Forderungen verzichten. Allerdings will dies noch niemand öffentlich zugeben. Deutschland und die anderen Eurostaaten versuchen vielmehr, den Druck auf Athen zu erhöhen.
Also wurde die Troika vorzeitig zurückgepfiffen. Sie solle eine Woche „Pause“ machen und dann nach Athen zurückkehren, sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn in Brüssel. Das bedeute nicht, dass es Probleme gebe. „Es wurde bereits ein bedeutender Fortschritt erreicht“, betonte er.
Zwar hat sich Athen offenbar dazu breitschlagen lassen, das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre zu erhöhen. Doch die vom IWF geforderte Einführung der Sechstagewoche wurde vorerst abgeschmettert. Auch bei den Sparvorgaben zieht die Regierung nicht mit. Die Troika fordert Kürzungen im Wert von 11,5 Milliarden Euro. Doch die Regierung weigert sich, die Gehälter im öffentlichen Dienst weiter zu senken.
Der Zeitplan wackelt
Er kämpfe dafür, die Einschnitte für die „unterprivilegiertesten Klassen“ möglichst gering zu halten, sagte Finanzminister Giannis Stournaras. Ohne grünes Licht der Troika kommt Athen nicht an Geld aus dem neuen Hilfsprogramm. Bisher ist geplant, dass sich die Eurogruppe bei ihrem nächsten Treffen am 8. Oktober mit dem Thema beschäftigt.
Stimmen die Finanzminister zu, könnte der EU-Gipfel Mitte Oktober die fällige Tranche in Höhe von 31,5 Milliarden Euro freigeben. Doch dieser Zeitplan wackelt. Durch den Abzug der Troika werde sich wohl auch der Abschlussbericht der internationalen Aufseher verschieben, hieß es in Brüssel. Griechenland muss wieder zittern, auch wenn derzeit niemand lauthals einen Rausschmiss aus der Eurozone fordert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind