Griechenland: Olympia macht sich fit für Olympia
Die Waldbrände sind gelöscht, der Wiederaufbau beginnt. Erstes Objekt ist der Berg Kronos. Von hier soll in sieben Monaten das olympische Feuer nach Peking gebracht werden.
OLYMPIA taz Die Brände in der griechischen Provinz Ilia sind fürs Erste gelöscht, die Feuerwehrleute fahren durch die Berge und passen auf, dass kein neuer ausbricht. Die Touristen kommen schon wieder busweise, um den Ursprungsort der Olympischen Spiele zu begutachten und ein bisschen auch die Brandschäden. Die Soldaten schlendern gelegentlich etwas unterbeschäftigt an den Cafés im Ortsinnern vorbei.
George Aidonis managt weiter. Der Bürgermeister von Olympia hat die Feuerbekämpfung koordiniert und jetzt organisiert er den Wiederaufbau. Aidonis sitzt an einem schweren Holzschreibtisch, hinter ihm eine EU-Flagge und eine von Griechenland. Im Regal ein Bild von Nelson Mandela. Aidonis hat den Ministerpräsidenten empfangen, den Gesundheitsminister, den EU-Kommissionspräsidenten. Die meisten sind hergekommen, um sich ein Luftbild von der Lage zu machen.
In der Provinz Ilia um Olympia herum haben die Brände besonders schwer gewütet. Es treffen ständig neue Hilfslieferungen in der Schule ein. Die 17 Dörfer der Umgebung, die teilweise niedergebrannt sind, bekommen von hier aus Wasser, Generatoren, Essen und Matratzen zugeteilt. 400 Helfer aus ganz Griechenland sind in der Region im Einsatz. Die Sache läuft, sagt Aidonis. Das wichtigste ist, den Berg Kronos wieder hinzubekommen, findet er. Feuerwehrleute, Polizisten und Freiwillige haben angefangen, die verkohlten Bäume zu fällen. Auch die Stadt München hat Hilfe für den Wiederaufbau des Berges angekündigt und für seine Sicherung. Vom Kronos aus soll in etwa sieben Monaten das olympische Feuer nach Peking getragen werden. Deshalb kommen später auch die Chinesen aus Athen.
Das ist in Ordnung, sagt der 70 Jahre alte Yannis oben in Miraka, drei Kilometer von Olympia entfernt. Sollen die mit dem Kronos anfangen. Er sitzt in diesen Tagen meistens bei seinem Bruder auf der Terrasse im ersten Stock und schaut auf sein verkohltes Haus hinunter, auf die versengten Hügel, hinter denen seine 500 Olivenbäume standen. Neben ihm sitzen meist der Bruder und ihre Frauen. Heute ist der Neffe aus Athen gekommen. Er hat geweint, als er das Haus sah.
"Der Luft fehlt der Sauerstoff", sagt Yannis. Es sind ja keine Bäume mehr da. Was soll man machen? "Man kann jetzt nicht Millionen neue Bäume pflanzen", sagt er. Er hatte versucht, das Haus zu verteidigen, hat mit großen Ästen nach dem Feuer geschlagen - Wasser hatten sie keines -, aber irgendwann sind die Flammen übers Gebäude gesprungen. Er kann froh sein, dass er noch rauskam. Der Schäfer hat es nicht mehr geschafft, der wollte seine Ziegenherde retten.
Jetzt wartet Yannis auf den Architekten, der prüfen soll, ob etwas zu machen ist oder man das Betongerippe abreißen muss und neu aufbauen. Yannis vermutet, dass das Feuer die Stützpfeiler verbogen hat. Da wäre eine Renovierung nicht gut, denn hier ist Erdbebengebiet. 25 Häuser sind in Miraka abgebrannt. Die Kirche ist ein Trümmerhaufen, daneben lagern in einem Schuppen Wasserflaschen für die Bewohner. Vor Yannis Haus liegt ein verschmorter Schrank, aus dem zwei schwarze Schuhe hängen. Yannis war ein paarmal drin. Alles kaputt. Er hofft, dass er an einen billigen Kredit kommt. Die 10.000 Euro Soforthilfe hat er geholt. Aber damit wird er nicht weit kommen.
Währenddessen empfängt der Bürgermeister die Chinesen. Sie haben einen Scheck über 60.000 Euro mitgebracht, zwei Laster voller Kleider und einen voller Wasser. George Aidonis steht zwischen all diesen Leuten vom chinesischen Kulturverein und gemeinsam wollen sie jetzt einen Olivenbaum pflanzen. Aidonis hat eine weiße Mütze auf. Er sagt, dass der Erste, der in einigen Monaten das olympische Feuer in Empfang nimmt, ein Chinese sein wird. Und dass der Olivenbaum bald einen prominenteren Platz bekommt.
Dann fahren sie zur Schule und laden die Laster aus. Ein Raum ist voller Klamotten, es sieht aus wie bei der Altkleidersammlung. Sie werden einiges davon wegschmeißen müssen, sagt eine Helferin. Irgendwie denken alle, im Katastrophengebiet brauchen die Leute vor allem Kleider. Es stapeln sich auch viele Mützen und Handschuhe auf den Tischen. Draußen sind immer noch um die 40 Grad. Plus. Der Bürgermeister sagt, dass das ganz gute Sachen sind. 120.000 Euro ist alles wert. Yannis in Miraka trägt immer noch die kurzen Hosen und das T-Shirt vom Feuertag. Er will auch nichts anderes haben. Und wenn, dann geht er sich etwas kaufen. Zur Not gibt er dafür eben sein Erspartes aus.
JOHANNES GERNERT
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