Griechenland und Eurorettung: Das Epizentrum der Krise
Griechenlands Rettung steht mal wieder auf der Kippe: 30 Milliarden fehlen. EU-Kommisar Oettinger will beruhigen und versichert, man werde an den Hellenen festhalten.
BRÜSSEL dapd | Die Rettung Griechenlands vor dem Schuldenkollaps hängt wieder am seidenen Faden. Nach positiven Signalen in den vergangenen Wochen stehe nun der Verbleib Athens in der Eurozone erneut infrage, berichtete die Süddeutsche Zeitung am Dienstag unter Berufung auf Notenbankkreise. „Wenn Griechenland drinbleiben soll, müssen die Regierungen 30 Milliarden bereitstellen“, wurde ein Zentralbanker zitiert. Die Summe fehle, um Athen ab 2020 wieder an den Finanzmarkt zurückzubringen.
Schon seit Monaten wird über die Finanzierungslücke spekuliert. Aus Kreisen der Troika von Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission hieß es am Dienstag, „robuste Zahlen“ lägen noch nicht vor. Das liegt zum einen an den zähen Verhandlungen mit Athen über neue Einsparungen. Und zum anderen wohl daran, dass niemand bereit ist, das Loch zu stopfen.
Klar ist nur: Wenn der IWF die Schuldentragfähigkeit der Hellenen nicht auf Dauer gesichert sieht, muss er laut seinen Regeln aus der Rettung aussteigen. Dann wiederum würde die ganze Sanierung zusammenbrechen, weil für Deutschland und andere Europartner die IWF-Beteiligung Voraussetzung für das eigene Engagement ist.
Wird Griechenland also doch fallen gelassen? EU-Kommissar Günther Oettinger rechnet nicht damit. „Ich habe feste Anzeichen sowohl in der Kommission wie auch in der deutschen Politik, dass man Griechenland halten wird“, sagte er im Interview mit der Nachrichtenagentur dapd. Bedingung sei, dass die griechische Regierung eine Mehrheit im Parlament bekomme und glaubwürdig ihre Verpflichtung aufnehme. Ein drittes Hilfspaket sei „nicht in Vorbereitung und nicht notwendig. Man kann mit dem jetzt vereinbarten Hilfspaket den Griechen etwas früher und etwas stärker helfen.“
Zweiter Schuldenschnitt kein Thema
Eine Neujustierung des laufenden Programms dürfte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im nahenden Wahlkampf akzeptieren. Doch könnte das nicht ausreichen, wenn der IWF weiter Zweifel an der dauerhaften Sanierung hat - oder die Wirtschaft in Griechenland noch weiter kollabiert.
Der Fonds fordert deshalb, dass die Euroländer Athen einen Teil der Schulden erlassen. Auch in Notenbankkreisen wird darüber nachgedacht - so lange die EZB nicht bluten muss. Laut Oettinger gibt es aber keinerlei konkrete Pläne. „Bisher ist kein weiterer Schuldenschnitt in Vorbereitung. Deswegen ist die Einbeziehung der öffentlichen Gläubiger kein Thema.“
Den Absturz abwenden können die Griechen selbst. Wenn sie die Forderungen der Troika tatsächlich erfüllen, könnte sich das Blatt wenden. Das Spiel mit vorläufigen Zahlen „führt in die Irre“, sagte ein EU-Diplomat in Brüssel. Schließlich sei das Ringen mit Athen noch im Gange.
Die Neue Züricher Zeitung berichtete am Dienstag, die Schuldenkontrolleure würden den Daumen nur dann heben, wenn sich die griechischen Koalitionäre in den kommenden Tagen zu weiteren konkreten Kürzungen bei Renten und Gehältern verpflichten, für den Fall, dass 2014 die vereinbarten Sparziele wieder gerissen sind. Bevor es keine entsprechenden Signale gebe, werde die Troika ihre unterbrochene Mission nicht fortsetzen und nach Athen zurückkehren. Es sei daher „abwegig“ schon jetzt einen Termin für das Abschlusszeugnis der Inspekteure zu erwarten, hieß es in Brüssel.
Eurokrise bleibt größtes Risiko
IWF-Chefin Christine Lagarde hatte sich im Kreis der Euro-Finanzminister vor anderthalb Wochen noch zuversichtlich gezeigt und Athen eine Streckung der Sparziele in Aussicht gestellt. Nun scheint auch der Französin wieder die Geduld auszugehen - mit den Griechen und ganz Euroland.
„Unsicherheit in der Eurozone bleibt das größte Risiko für die Weltwirtschaft“, sagte sie am Montag in Washington in einer Rede am Peterson Institute for International Economics. Deswegen müsse in Europa, dem „Epizentrum der Krise“, gehandelt werden. Und „diesmal brauchen wir eine nachhaltige Erholung, keine kurzfristigen Aufschläge“.
Dahinter steckt die Rezessionsangst. Die Weltwirtschaft erhole sich zwar allmählich, sagte Lagarde. Doch laut Einschätzung des IWF werde das Wachstum voraussichtlich geringer ausfallen als erwartet. Deswegen müssten Europäer und auch die USA vermeiden, durch massive Kürzung der Staatsausgaben und Steuererhöhungen eine neue Rezession zu verursachen.
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