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Grenzzwischenfall auf europäisch

■ Ein mit einer Deutschen verheirateter Flüchtling durfte nicht in die Bundesrepublik einreisen

Berlin (taz) — Wenn es ums Asylrecht und Aufenthaltsbestimmungen geht, kennen Europas Grenzbehörden kein Pardon. Zu welch abstrusen Auswüchsen solch europäische Beamtentätigkeit führen kann, bewies einmal mehr ein Grenzzwischenfall in dem kleinen dänischen Grenzort Pattburg. Denn dort wurde am vergangenen Wochenende ein nach der Genfer Flüchtlingskonvention in Frankreich anerkannter, staatenloser Türke wieder abgeschoben, als er versuchte, mit seiner deutschen Ehefrau in die Bundesrepublik einzureisen. Nach Auskunft der Ehefrau Gerda H. wurde der ehemalige Flüchtling nach zweitägigem Arrest via Kopenhagen und per Flugzeug nach Paris geschickt.

Der staatenlose Türke, dessen Aufenthaltsrecht nur innerhalb der Grenzen Frankreichs gilt, war schon früher häufiger nach Berlin gereist, um dort seine deutsche Freundin Gerda H. zu besuchen. Da zwischen Deutschland und Frankreich nach dem Schengener Abkommen nur selten Paßkontrollen durchgeführt werden, konnte er stets ungehindert ein- und ausreisen. Das binationale Paar entschied sich zu heiraten. Doch die Eheformalitäten der BRD waren zu aufwendig, und so beschlossen beide, die Ehe im liberaleren Dänemark zu vollziehen. Bei der gemeinsamen Einreise in dieses nordeuropäische Noch-EG-Land hielten die dänischen Grenzbeamten ein Dokument, das die Aufenthaltserlaubnis in Frankreich ausweist, für einen Paß.

Das Paar verbrachte eine Woche Urlaub im schönen Örtchen Tondern, heiratete sodann und wollte zurück nach Berlin fahren. Doch nun trat das wachsame Auge des Bundesgrenzschutzes auf den Plan. Dieser erkannte sofort, daß der Staatenlose kein gültiges Reisedokument vorweisen konnte, verweigerte ihm die Einreise nach Deutschland und übergab ihn an die dänische Polizei. Aufgrund des unerlaubten Urlaubs in Dänemark wurde der nach den Genfer Konventionen anerkannte Ex-Flüchtling nach zweitägiger Haft nach Frankreich abgeschoben und darf in den nächsten drei Jahren das nordische Land nicht mehr betreten.

Heiratsurkunde und deutsche Ehefrau beeindruckten die Beamten nicht. Und auch alle Bemühungen der dänischen Polizei, im Falle des frischverheirateten Paares eine humanitäre Lösung zu finden, blieben erfolglos. Denn wenn es um Paragraphen und restriktive Gesetzesgrundlagen geht, drücken Grenzbeamte auch aus humanitären Gründen kein Auge zu.

Und auch deutsche und französische Behörden dürfen sich noch mit dem Grenzzwischenfall beschäftigen. Nach Auskunft des Amts des Hohen Flüchtlingskommissars der UNO können sich nun beide, die eine in Berlin, der andere in Paris, um eine Familienzusammenführung bemühen. Alles in allem ist es jetzt also „nur“ eine Frage der Zeit, bis der staatenlose Ehemann ganz offiziell zu seiner Frau nach Berlin reisen kann, um dort zu leben. flo

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