: Grenzer vor Gericht
■ Prozeß gegen DDR-Kommandeure wegen Aussetzungsantrag unterbrochen
Berlin (AFP) – Nach der ehemaligen Staats- und Parteispitze der DDR und den einfachen Grenzsoldaten müssen sich seit gestern vor dem Berliner Landgericht erstmals auch sechs frühere Kommandeure der DDR-Grenztruppen wegen der Todesschüsse an der innerdeutschen Grenze verantworten. Allerdings wurde die Hauptverhandlung nach einer Stunde noch vor Verlesung der Anklage um eine Woche vertagt, weil die Verteidigung mehrere Anträge stellte, über die das Gericht beraten wollte. Die Rechtsanwälte der wegen versuchten und vollendeten Totschlags angeklagten Exgeneräle beantragten unter anderem die Einstellung des Verfahrens, weil es gegen das Völkerrecht verstoße. Außerdem plädierten sie für eine Aussetzung, bis das Bundesverfassungsgericht (BVG) über eine Beschwerde des früheren DDR-Verteidigungsministers Heinz Keßler entschieden hat.
Die Angeklagten im Alter zwischen 64 und 69 Jahren stehen unter dem Verdacht, in den 80er Jahren mit ihren Anordnungen und Befehlen das DDR-Grenzregime mit seinen Minenfeldern, Selbstschußanlagen und dem Schießbefehl „gesichert und verfestigt“ zu haben. Dabei hätten sie „bewußt in Kauf“ genommen, daß Fluchtwillige an der Mauer getötet wurden oder schwerwiegende Verletzungen erlitten. Insgesamt werden ihnen 19 Fälle von Totschlag beziehungsweise versuchtem Totschlag zur Last gelegt. Zu den Angeklagten gehört auch der ehemalige Vize-Verteidigungsminister Baumgarten, der gleichzeitig Chef der Grenztruppen war. Den Antrag auf Verfahrenseinstellung begründete die Verteidigung mit dem Hinweis auf den Grundlagenvertrag von 1972, in dem sich beide deutsche Staaten zur Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des Nachbarn verpflichtet hätten. Da das Abkommen durch den Einigungsvertrag nicht aufgehoben worden sei, könnten ehemalige DDR-Bürger nicht von der bundesdeutschen Justiz für solche Taten angeklagt werden.
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