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Grenzen in der Stadt brechen

Engagierte Spaziergänge: Bei Besuchen in Sammelunterkünften knüpfen Hamburger und Hamburger Flüchtlinge Kontakte  ■ Von Stefanie Winter

Monatelang, zum Teil auch Jahre lang leben mehrere tausend Flüchtlinge und Asylbewerber in Hamburg und doch nicht in Hamburg. Ihre Sammelunterkünfte liegen abseits oder an vielbefahrenen Durchgangsstraßen; die meisten Hamburgerinnen und Hamburger kennen die Wohnschiffe, Container- und Pavillondörfer höchstens vom Vorbeigehen und -sehen. Regelmäßige Stadtspaziergänge mit und zu Flüchtlingen sollen zukünftig diese Isolation verringern und Kontakte zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern der Unterkünfte und denen Hamburgs entstehen lassen.

Eine generelle „Auflösung der Massenverwahranlagen“ für bis zu 1100 Personen war zuletzt – und längst nicht zum ersten Mal – Anfang Februar während des „Tribunals gegen die Flüchtlingspolitik Hamburgs“ gefordert und deren Gesundheitsgefahren und Sicherheitsrisiken dokumentiert worden. Da die Hansestadt dennoch an dieser Art der Unterbringung festhält, will die Tribunal-Gruppe im Hamburger Flüchtlingsrat nun durch regelmäßige Besuche in den Unterkünften die innerstädtischen Grenzen durchbrechen.

Die Gruppe selbst hat – auf Anregung einiger ihrer afrikanischen Mitglieder, die in den Sammelunterkünften wohnen – bereits einige Einrichtungen besucht. Sie möchte vor allem aber Menschen dafür gewinnen, die nicht politisch organisiert sind – oder dies auch nicht wollen. Ein einmaliges Ereignis wie das „Tribunal“ habe viele Hamburger interessiert, meint Mit-Initiatorin und Rechtsanwältin Sigrid Töpfer. Dieses Interesse soll nun auch für die Spaziergänge geweckt werden, die, stetig durchgeführt, institutionalisiert werden sollen.

Ähnliche Spaziergänge habe es in Hamburg – auf Initiative von Kirchengemeinden, der Volkshochschule und Stadtteilzentren – bereits gegeben, sagt Töpfer. Sie seien sehr gut angenommen, aber aus Kostengründen eingestellt worden. Nicht nur deshalb verzichten die „Grenzbrecher“ auf eine Gruppen-Anreise per Bus und unternehmen die Tour mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Es diene dazu, die Wege kennenzulernen, die Flüchtlinge in Hamburg zurücklegen. Als regelmäßiger Treffpunkt gewählt wurde daher nicht der Hauptbahnhof; zahlreiche afrikanische Flüchtlinge meiden den Bereich St. Georg aus Furcht vor einer präjudizierenden Behandlung durch die Polizei. Einige nähmen deshalb täglich lange Umwege in Kauf.

Die Besuche sollen an jedem ersten Samstag im Monat stattfinden; Treffpunkt ist um 14 Uhr der Dammtorbahnhof (in der Halle, vor „McDonalds“). Am kommenden Samstag treffen sich Interessierte ausnahmsweise auf dem S-Bahnsteig Harburg-Rathaus (Richtung Neugraben) bereits um 13.30 Uhr, um Bewohner der Wohnschiffe in der Seehafenstraße zu besuchen.

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