Gremien der Hochschulen: Mehr Demokratie wagen!
Der Verwaltungsapparat jeder Hochschule ist groß und komplex. Ein spürbares Mitbestimmungsrecht von Studenten und Lehrenden bleibt aber oft auf der Strecke.
Dass Demokratie noch kein Fremdwort ist, bewies die Veranstaltung zur Frage, „Sollen wir Hochschulen wie Unternehmen führen?“ Ausgehend vom Extrembeispiel der Universität Hamburg, an der alle Betriebseinheiten und Selbstverwaltungsgremien unterhalb der Fakultätsebene abgeschafft wurden, ergab sich eine anregende Diskussion. Dies zeigte sich nicht zuletzt an den zahlreichen Beifallsbekundungen und Unmutsäußerungen des Publikums, welches das Recht auf Mitsprache regelrecht forderte.
Der Geschäftsführer der CHE-Consult, Christian Berthold, rief mit drastischen Beispielen die Notwendigkeit der Hochschulreform in Erinnerung. Die bürokratischen Strukturen hätten Stillstand und Gremienfrust produziert. Externe Hochschulräte garantierten dagegen effektive Entscheidungsprozesse und damit Handlungsfähigkeit. Sein an Helmut Plessner angelehntes Argument von der Kultivierung „organisatorischer Verantwortungslosigkeit“ in demokratischen Gremien konterte Henrike Hepprich, Vertreterin des Unabängigen Asta Freiburg, mit dem Hinweis, dass externe Hochschulräte von ihren Entscheidungen selbst nicht betroffen seien. Hermann Hipp, Kunsthistoriker und ehemaliger Dekan an der Universität Hamburg, zündete ein rhetorisches Feuerwerk gegen die katastrophalen Auswirkungen der Hochschulreform. Seiner Ansicht nach, garantiere nur die Möglichkeit in demokratischen Gremien seine gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen dauerhaft sozialen Frieden. Das von Hermann Hipp gezeichnete positive Bild der „Gremienuniversität“ wollte Andreas Keller - Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) - nicht teilen. Zu weit hätten sich, seiner Meinug nach, die Universitäten in den letzten dreißig Jahren von den zivilgesellschaftlichen Interessen entfernt.
In den Antworten auf die Frage nach der Zukunft der Demokratie an den Hochschulen, zeigte sich vor allem eine grundsätzliche Differenz. Christian Bertholt lobte die verschiedenen Möglichkeiten der Partizipation. Dagegen verwies Henrike Hepprich darauf hin, dass Zukunftswerkstätten, OpenSpace-Projekte und dergleichen noch keine Mitbestimmung bedeuteten. Erst wenn von allen an der Universität vertretenen Gruppen auch über die Realisierung der Vorschläge und die Verteilung der Mittel mitentschieden würde, könne von Demokratie die Rede sein. Diesen Einwand weitete Andreas Keller zur Vision einer „Urwahl“ aus: Der Präsident einer Hochschule sollte von allen Mitgliedern gewählt werden.
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