Greenwash von BP: Klarsicht dank Ölteppich
Wie es der drittgrößte Ölkonzern der Welt schaffte, sich ein umweltbewusstes Image zu geben. Und was diese Strategie nach der Katastrophe noch wert ist.
In großformatigen Anzeigen in der überregionalen Presse schmückt sich das Unternehmen mit Windenergie und Solarstrom. Unter dem Slogan "BP pflanzt Energie" preist der Konzern seine Agrosprit-Aktivitäten. In Spanien und den USA laufen Werbespots im Cartoon-Stil, in denen gut gelaunte Babys bei einer BP-Tankstelle vorfahren, und eine fröhliche Stimme singt dazu: "Mach den Tag ein bisschen besser". Die Kampagne ist gerade zwei Jahre her.
Fast ein Jahrzehnt lang hat der drittgrößte Ölkonzern der Welt versucht, sich ein umweltfreundliches Image zu geben. Nun die Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko. 611 Millionen Euro hat sie BP bislang gekostet - zu dieser Summe darf man die mehr als 200 Millionen Dollar addieren, die der Konzern seit Ende der Neunzigerjahre für seinen grünen Anstrich ausgegeben hat.
Alles begann im März 1997, als der damalige Vorstandschef John Browne eine sorgsam inszenierte Rede hielt. Als erster Konzernlenker erkannte er den menschengemachten Klimawandel an. Es gebe "zunehmende Beweise" hierfür, so Browne, es sei "wenig weise und potenziell gefährlich", sie zu ignorieren, und BP wolle sich künftig der "Verantwortung für die Zukunft und eine nachhaltige Entwicklung" der Erde stellen.
Zuvor war das Unternehmen Mitglied der Global Climate Coalition gewesen, einem Firmenbündnis, das mit viel Geld öffentlichen Zweifel an der Erderwärmung streute und das Kioto-Protokoll zu verhindern suchte. Browne heuerte die Werbeagentur Ogilvy & Mather an, die eine später preisgekrönte PR-Kampagne entwarf: Das alte Firmensignet, ein Ritterschild, wurde ausgetauscht gegen ein grün-gelbes Sonnenlogo. Das Kürzel BP sollte fortan nicht mehr für British Petroleum stehen, sondern für "beyond petroleum", zu deutsch: "über Erdöl hinaus". Der Konzern stieg ins Geschäft mit Windkraftanlagen ein. Er schrieb unter seinen Mitarbeitern Umweltpreise aus, sponserte Lehrmaterialien für Klima-Unterricht an Schulen. Demonstrativ schraubte BP Solarzellen auf die Dächer seiner Tankstellen.
An der Firmenpolitik aber änderte sich kaum etwas. Für 45 Millionen Dollar verleibte sich BP im April 1999 die Fotovoltaikfirma Solarex ein und feierte sich als "weltgrößtes Solarunternehmen". Doch die grüne Imagekampagne ließ man sich mehr als das Vierfache kosten. Und als BP 2007 in den besonders klimaschädlichen Ölsandabbau in Kanada einstieg, gab der Konzern dafür sogar das Fünfzigfache aus. Insgesamt steckte das Unternehmen zwischen 2005 und 2009 in seine Sparte "Alternative Energien" rund 2,9 Milliarden Dollar. Diese Summe allerdings entspreche lediglich 4,2 Prozent der Gesamtinvestitionen jener Jahre, hat das Wall Street Journal vorgerechnet. "Was BP bislang pro Tag an erneuerbaren Energien erzeugt, ist weniger als ein Zehntel eines Prozents seiner Öl- und Gasproduktion."
In seinen Zeitungsannoncen hingegen präsentiert das Unternehmen Erdöl und Erdgas gleichrangig neben Windenergie und Solarstrom. Dass BP im vergangenen Jahr seine Investitionen in alternative Energien und andere "Nichtkerngeschäfte" noch mal um fast 30 Prozent senkte, bekam nur die Fachöffentlichkeit mit. Vor allem in den USA schimmerte die Wahrheit hinter dem schönen Schein schon früh auf. Im Jahr 2005 explodierte in Texas eine BP-Raffinerie, 15 Arbeiter starben, 180 wurden verletzt. Schuld daran seien "organisatorische und sicherheitstechnische Defizite auf allen Ebenen des Unternehmens" gewesen, lautete das vernichtende Urteil der zuständigen Aufsichtsbehörde CSB. Über Jahre habe das Unternehmen Kosten gesenkt, an der Ausbildung seiner Angestellten gespart und Anzeichen der drohenden Katastrophe ignoriert. Im Jahr darauf platzte in der Prudhoe Bay in Alaska eine BP-Pipeline. Erst nach fünf Tagen wurde dies bemerkt, und eine regierungsamtliche Untersuchung stieß auf weitgehend verrostete Rohre. Aus einem großspurig angekündigten Pilotprojekt zur CO2-Abscheidung und unterirdischen Speicherung im schottischen Peterhead stieg BP 2007 aus, nachdem erhoffte Fördergelder ausblieben.
Ein grünes Image hilft vor allem, um politische Entscheidungen zu beeinflussen. Als ab Ende der Neunzigerjahre die Erderwärmung einer breiteren Öffentlichkeit bewusst wurde, war es viel effektiver, ihn nicht mehr zu leugnen - sondern der Politik und Gesellschaft einen "Dialog" anzubieten. BP entdeckte diese Strategie als erster Ölkonzern und setzte sie bis zur Perfektion um. Regelmäßig plädiert BP, der Staat möge doch bitte auf Gesetze und Vorschriften verzichten und sich stattdessen auf Selbstverpflichtungen der Industrie verlassen - was umso überzeugender klingt, je grüner das eigene Image ist. Während die Firma sich öffentlich als umweltbewusst präsentierte, machte sie sich etwa in den USA für die Aufweichung von Ölförderbeschränkungen in Naturreservaten stark. Sie torpedierte strenge Obergrenzen für Treibhausgase. Nach Angaben des Center for Responsive Politics gab BP seit 2005 rund 40 Millionen Dollar für Lobbyaktivitäten in Washington aus und gehörte im vergangenen Jahr zu den 20 Firmen mit dem größten Budget.
Auch in Europa ist der Konzern höchst einflussreich. Der EU-Emissionshandel wurde maßgeblich von BP konzipiert - wenig überraschend sah er später großzügige Ausnahmen für Erdölraffinerien vor. Als hierzulande unter Rot-Grün die Regeln für das CO2-Handelssystem festgezurrt wurden, saß das Unternehmen wiederum an einer Schlüsselposition: Für die Leitung des Sekretariats der zuständigen Arbeitsgruppe stellte es kostenlos einen eigenen Mitarbeiter zur Verfügung. Die lobbykritische Organisation Corporate Europe Observatory schreibt in einer Studie über BP: "Das Unternehmen hat mit Absicht an einem System mitgewirkt, das nicht die CO2-Einsparungen erbringt, die nötig wären, und ablenkt von Maßnahmen, die dem Klima wirklich helfen würden".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl