piwik no script img

Grausame Zensurakte?

■ betr.: „Outsourcing à la DeutschlandRadio“, taz vom 4.2.98

In der taz vom 4. Februar hat Herr Kreimeier mächtig gegen das DeutschlandRadio ausgeholt. Vor allem mir, dem Programmchef des Deutschlandfunk, werden grausame Zensurakte zur Last gelegt. Herr Kreimeier hält mich für eine Art Großinquisitor. Dafür hat Kreimeier – der bei uns übrigens seit Jahren gelegentlich als Autor Honorar bezieht (wie gelingt es ihm bloß, immer wieder durch das engmaschige Netz der Repression zu schlüpfen?) – auch einen Beleg parat. So nobilitiert er mich zum „Metternich-Spezialisten“ und teilt mit, ich hätte über die Metternichschen Zensurrichtlinien promoviert. Träfe das zu, wäre es wirklich eine hübsche Pointe. Nur leider stimmt es nicht.

Zutreffend ist vielmehr, daß ich mit einem parteienkritischen Thema promoviert worden bin. Der Titel der Dissertation lautete: „CDU-CSU. Das schwierige Bündnis“. Doktorvater war Kurt Sontheimer. Vor gut einem Vierteljahrhundert war das, und Metternich kam noch nicht einmal im Namensregister vor. Aber vielleicht meint der scharfe Rechercheur ein Buch, das ich soeben veröffentlicht habe. Auch dieses begründet keine Metternich-Kennerschaft, doch befaßt es sich wenigstens in einem Kapitel mit der Zensur im Vormärz (“Der treue Spiegel. Die Geschichte der Cotta'schen Allgemeinen Zeitung“, erschienen bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, Darmstadt 1998). Schön wäre es gewesen, hätte Herr Kreimeier dafür ein bißchen Propaganda gemacht, denn das Buch ist wirklich empfehlenswert. Aber das lag wohl nicht in seiner Absicht. Statt dessen hat er dies und das über den Deutschlandfunk zum besten gegeben. Diese Enthüllungen sind so zielgenau wie die über meine Metternich-Expertise. Günter Müchler, Programmdirektor Deutschlandfunk

Herzlichen Dank für Ihren Artikel – hat er mich doch darüber aufgeklärt, daß ich als Redakteur der Abteilung „Hintergrund“ im Deutschlandfunk unter Kuratel stehe. Da ich davon in meinem achtjährigen Dasein in dieser Anstalt noch nichts bemerkt habe, werden Sie mir sicher eine Zusatzfrage erlauben, die Ihr Artikel leider nicht beantwortet: unter wessen Kuratel stehen meine Kollegen und ich? Der Rest meiner Redaktion (übrigens ein politisch bunt durchmischter Haufen) konnte mir darauf keine befriedigende Antwort geben, vielleicht können Sie es, Herr Kreimeier, da Sie zwar – im Gegensatz zu vielen anderen taz-Autoren – für den Hintergrund nie gearbeitet und auch nie bei uns recherchiert haben, aber trotzdem über ein intimes Detailwissen zu verfügen scheinen.

Sollten Sie nun in mir einen Agent provocateur vermuten, der – wenn er nicht gerade Leserbriefe schreibt – auf dem Schoß des zensierenden Programmdirektors sitzt, kann ich Ihnen gerne ein paar Hintergrundsendungen aus meiner Feder zu Themen wie „Dutschke-Attentat“ oder „Notstandsgesetze“ zukommen lassen, die – merkwürdigerweise – ohne Beanstandung über diesen Sender gingen, und das, obwohl ich stark vermute, daß sie nicht unbedingt kongruent mit der politischen Meinung des Programmdirektors waren und sind.

Daraus ergeben sich mehrere mögliche Schlußfolgerungen: 1. Müchler hat nicht aufgepaßt. 2. Die Sendungen waren so handzahm, daß sie keinem wehtaten. Oder 3. Der Redakteur hat sich beim Verfassen der Sendungen an bestimmte journalistische Grundsätze gehalten, die er beim „Rundfunkmuseum“ (so Ihre Worte) DeutschlandRadio erlernt hat: Zum Beispiel die Trennung von Kommentierung und Information. Oder saubere Recherche.

Zumindest von letzterer, sehr geehrter Herr Kreimeier, ist in Ihrem Artikel nicht sehr viel zu bemerken. Daß Sie den Namen meiner Abteilung mit einem unserer Sendeplätze verwechseln, ist dafür nur ein Beispiel. Daß Sie als gelegentlicher Autor der Feature-Abteilung des DLF möglicherweise einen ähnlich befangenen Standpunkt haben könnten, wie Sie ihn (nur unter anderen Vorzeichen) meiner Abteilung unterstellen, werden Sie natürlich weit von sich weisen. Nichtsdestotrotz hätte es vielleicht nicht geschadet, die taz- Leser über Ihre Tätigkeit für die Feature-Abteilung dieses „Rundfunkmuseums“ zu informieren.

Und vielleicht, liebe KollegInnen bei der taz, würde es auch nicht schaden, Artikel, die immerhin die journalistische Souveränität einer ganzen Redaktion anzweifeln (ja, eigentlich sogar fast eines ganzen Funkhauses, indem die Feature- Redaktion als der letzte Hort der Pressefreiheit im DLF dargestellt wird, vor der Drucklegung mal gegenzurecherchieren. Womöglich käme dabei heraus, daß nicht jeder, der „längst unter Kuratel gestellt“ worden ist, überhaupt davon weiß... Marcus Heumann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen