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Graue Wölfe zu Gast bei MercedesDrei Halbmonde für einen Stern

Auf Einladung eines Betriebsrates von Mercedes Benz hat der Vize-Fraktionschef der türkischen MHP gesprochen – das ist die Partei der nationalistischen „Grauen Wölfe“

Ein Mitglied der "Idealisten-Jugend", der Nachwuchsorganisation der "Grauen Wölfe" Bild: dpa

BREMEN taz | Oktay Vural brüllt fast. Vom Podium aus spricht er zu etwa 150 ArbeiterInnen des Bremer Mercedes-Werkes. Vural ist Vize-Fraktionsvorsitzender der rechten „Milliyetçi Hareket Partisi“ (MHP), der türkischen „Partei der nationalistischen Bewegung“. Besser bekannt sind deren Anhänger als „Graue Wölfe“. Ein Video dokumentiert seinen Auftritt im Bürgerzentrum Neue Vahr Anfang Januar. Auf türkisch spricht er über die politische Lage in der Türkei, beschwert sich über Ministerpräsident Tayyip Erdogan und darüber, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei der Hinrichtung von PKK-Anführer Öcalan nicht mitziehen wollte. Eingeladen wurde er von einem Betriebsratsmitglied. In der Türkei wirbt die MHP mit Vurals Auftritt vor den Mercedes-Arbeitern. Kurdische Verbände, die Alevitische Gemeinde und die Linkspartei sind empört.

„Es sind türkische Nazis“, sagt Cindi Tuncel, Bürgerschaftsabgeordneter der Linksfraktion. „Es ist gefährlich und erschreckend, dass ihnen mit Firmengeldern ermöglicht wird, rechtes Gedankengut zu propagieren.“ Die MHP hetze gegen Aleviten, gegen Kurden, gegen Minderheiten. In einem Schreiben, das sechs kurdische und alevitische Verbände aus Bremen unterzeichnet haben, heißt es: „Der Rassismus in Deutschland wird gefördert, wenn ein MHP-Vertreter türkische Kollegen/Innen von Mercedes-Benz mit seiner Ideologie indoktriniert.“ Sie verlangen eine Erklärung von der IG Metall, warum Vural eingeladen wurde.

Die Gewerkschaft weist den Vorwurf von sich. „Wir haben uns weder inhaltlich noch finanziell an dem Seminar beteiligt“, erklärt Volker Stahmann, erster Bevollmächtigter der IG Metall in Bremen. „Es gibt in der IG Metall mit der MHP einen sogenannten Unvereinbarkeitsbeschluss. Wir finden diesen Beschluss richtig und werden rechten Gruppierungen nie ein Forum bieten.“ Der Mercedes-Betriebsrats-Vorsitzende Uwe Werner reagiert ungehalten auf Nachfragen: Weder Mercedes noch der Betriebsrat hätten im Januar Parteienvertreter eingeladen. Mehr möchte er nicht sagen.

Ibrahim Akbal hat das Seminar organisiert. Er ist Betriebsrats- und IG-Metall-Mitglied und seit über 30 Jahren bei Daimler. „Ich habe alle Parteien eingeladen, die im türkischen Parlament vertreten sind“, sagt er. Auch die AKP und die kurdischen BDP, die hätten aber beide abgesagt. Nur Vertreter der sozialdemokratischen CHP seien noch gekommen. Das Seminar habe vor dem Hintergrund stattgefunden, dass 2015 auch in Deutschland lebende Türken in der Türkei wählen dürfen.

Die MHP sitzt in der türkischen Nationalversammlung, rund 13 Prozent bekam sie bei der letzten Wahl 2011. Von 1998 bis 2002 war sie an der Regierung beteiligt, bis 1992 war sie verboten. Vural soll eher zu ihrem bürgerlich-konservativem Lager gehören. Er war 2001 bis 2002 Minister für Transport und Telekommunikation und sitzt im Parlament von Bremens Partnerstadt Izmir. „Die MHP ist eine zugelassene, gewählte Partei“, sagt Akbal, „Ich will sie nicht in Schutz nehmen“, er habe mit ihr nichts zu tun. „Ich setze mich seit langem gegen Diskriminierung ein“, sagt er.

Über die MHP schreibt das Nordrhein-Westfälische Innenministerium in einer Info-Broschüre 2011: Die Partei vertrete „eine extrem-nationalistische und antikommunistische Politik“ und trete „für die Errichtung einer Groß-Türkei“ ein. Graue Wölfe, Anhänger der Bewegung, seien auch in Deutschland vertreten und vernetzt. Als Feinde betrachteten sie „Minderheiten in der Türkei“, wenn sie in ihren Augen „türkischen Interessen“ entgegenstünden: „ethnische Gruppen wie Kurden, Griechen und Armenier, aber auch religiöse Gemeinschaften wie Juden oder Christen“. Auf Internetseiten werde in „volksverhetzender Weise zu Körperverletzung, Mord und sogar Lynchjustiz aufgerufen“. Feinde seien auch diejenigen, „die gegenüber der Türkei den Vorwurf erheben, 1915 einen Völkermord an den Armeniern verübt zu haben“.

Im Video vom Auftritt Vurals in Bremen ist breiter Applaus zu hören. Einem Gast überreicht Vural eine Ehrennadel mit drei Halbmonden, dem Symbol der MHP und Grauen Wölfe, das an die osmanische Kriegsflagge erinnert.

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4 Kommentare

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  • JT
    Jürgen Theis

    Also, ab jetzt keine Autos mehr von Mercedes, sondern nur noch BMW.

  • S
    Sara

    Sehr geehrter Herr Akbal,

    was für eine Begründung,, die MHP sei im Parlament vertreten. '' Wie können sie denken das dies eine Begründung sein könnte. Wann laden Sie dann die NPD ein, die sind oder waren auch im Parlament vertreten. Die armen Kurden in Deutschland überall nur diskrimierung egal wo man gerade hinguckt. Ich kenne viele deutsch-Kurden die bei Damiler arbeiten. Wie kann man gerade als Vertreter aller Mitarbeiter/ In so etwas tun.Es ist beschämend wie die IG-Metall ablockt.

  • MK
    Murat K.

    Zwischen 1975 und 1977 gehörte die MHP, die 1977 ihren Stimmanteil mit 6,2 Prozent fast verdoppeln konnte, als Juniorpartner einer aus der konservativen ANAP und der islamischen MSP gebildeten Regierung der Nationalistischen Front an. Türkes wurde zum stellvertretenden Ministerpräsidenten, seine Anhänger gelangten an strategisch wichtige Positionen in der Polizei, beim Zoll und im Bildungsbereich. Die blutig gegen Linke und Gewerkschafter vorgehenden Kommandotrupps operierten nun mit dem Segen der Regierung. Rund 5000 Menschen – vor allem linke Arbeiter und Studenten – kamen zwischen 1975 und 1980 bei Straßenkämpfen und Mordanschlägen ums Leben.

     

    Bei einem von den Grauen Wölfen angeführten Pogrom in der Stadt Maras wurden 1978 nach offiziellen Angaben 111 Angehörige der religiösen Minderheit der Aleviten ermordet. Der Rechtsterrorismus in der Türkei war Teil einer »Strategie der Spannung« durch die NATO-Konterguerilla Gladio, mit der unter der verunsicherten Bevölkerung die Stimmung für die Errichtung eines autoritären Regimes erzeugt werden sollte. Die Grauen Wölfe, die 1980 rund 200 000 registrierte Mitglieder und eine Million Sympathisanten hatten, wurden ein bevorzugtes Rekrutierungsfeld für die Konterguerilla, die als »Amt für spezielle Kriegführung« direkt dem späteren Putschistenführer, Generalstabschef Kenan Evren, unterstand.

  • MK
    Murat Kaya

    Angesichts der Mordserie an den türkischen und griechischen Geschäftsleuten seit 2000 und der Empörung über die skandalöse Ignoranz der Behörden muss, unabhängig von der Nationalität, endlich konsequent gegen Rechtsextremismus und Neofaschismus vorgegangen werden. Der berechtigten Forderung nach einem Verbot von faschistischen und rassistischen Organisationen und Propaganda müssen jetzt Taten folgen. Denn diese Organisationen richten ihre Bestrebungen gegen den Gedanken der Völkerverständigung sowie das friedliche Zusammenleben der Völker und sind damit eindeutig verfassungsfeindlich