Gratiszeitungen: Welker Blumenstrauß
Berlin (taz) – Ein Blatt, das kostenlos verteilt wird, muss wegen „Finanzproblemen“ eingestellt werden? Die Geschäftsführer der werbefinanzierten Zeitung 15 Uhr Aktuell wurden bereits gestern beim Konkursrichter vorstellig, die Ausgaben für Hamburg, München und Berlin wurden mit sofortiger Wirkung eingestellt.
Die Verleger Michael Bielski und Robert Sidor machten vor allem die HVBG, eine Tochter der HypoVereinsbank, für das Scheitern des Projektes verantwortlich. Er selbst habe sein ganzes Vermögen verloren, so Bielski. Zudem sei er von der HVBG im Stich gelassen worden. „Davon kann keine Rede sein“, konterte Knut Hansen, Sprecher der Kapitalgesellschaft, gegenüber der taz: „Wir hielten einen strategischen Anteil an dem Verlag und mussten nun einsehen, dass es für ein solches Projekt in Deutschland keinen Markt gibt.“
Zum rückläufigen Anzeigengeschäft gesellten sich mit dem Rückzug der HVBG auch akute Liquiditätsprobleme. Ein letzter Versuch, das Blatt durch die Beteiligung eines anderen Verlages zu retten, scheiterte am Dienstagmorgen in Stockholm: Der norwegische Schibsted-Verlag, unter anderem in Köln selbst im Modemarkt morgendlicher Gratiszeitungen engagiert (20 Minuten Köln), mochte sich nicht für eine Beteiligung an 15 Uhr Aktuell erwärmen. Schibsted-Vorstandsvorsitzender Flasse bestätigte: „Der Gesamtblumenstrauß hat uns nicht gepasst.“
Nun sind nicht nur insgesamt 20 Millionen Mark in den Sand gesetzt worden, auch 250 Beschäftigte müssen um ihre Arbeitsplätze bangen. Und das dürften vor allem die Verteiler sein, die 15 Uhr Aktuell kostenlos an Fahrgäste des öffentlichen Nahverkehrs ausgaben. Im Oktober 1998 war das Blatt in Berlin gestartet, expandierte rasch nach Hamburg und München und erreichte zuletzt eine verteilte Auflage von rund 250.000 Exemplaren. Ein ernst zu nehmender Mitbewerber indes, wie es etwa Schibsteds 20 Minuten Köln für den dortigen Zeitungsmarkt darstellt, war 15 Uhr Aktuell mit seinem Konzept nachmittäglicher Informationen allerdings nie. fra
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