Gratis-Gespräche bei Google: Der Internetkonzern will telefonieren
Mehr als 100 Millionen Nutzer wickeln ihre E-Mails bereits über Google ab. Nun kommt die Sprachkommunikation hinzu: Mit Google Voice werden sogar die Sprachnachrichten durchsuchbar.
Eigentlich ist Google vor allem für seine in den meisten Ländern der Welt höchst erfolgreiche Suchmaschine bekannt - so erreicht der Konzern beispielsweise in Deutschland fast 90 Prozent aller Online-Nutzer. Im Windschatten dieses Erfolges baut der Online-Riese aber auch andere Geschäfte auf und aus. Besonders weit gekommen ist er hier bei Kommunikationsangeboten: Google Mail, ein Web-Mail-Dienst, wird inzwischen von über 100 Millionen Nutzern verwendet. Populär ist das Angebot auch deshalb, weil es dem Nutzer ermöglicht, seinen gesamten Bestand an elektronischer Post auf Googles Server zu lagern und innerhalb weniger Sekunden zu durchsuchen. Geld verdient der Konzern damit, dass er so genannte kontextsensitive Werbung neben den Botschaften einblendet: Mailt man zum Beispiel über Blumen, erscheint dann auf der Seite die Anzeige eines Gartencenters.
Nun will Google ganz groß in einen zweiten wichtigen Kommunikationsbereich einsteigen: Die Sprachtelefonie. Wie das Unternehmen am Freitag ankündigte, soll in den nächsten Tagen mit Google Voice ein neuer Dienst gestartet werden, der alle Telefonnummern des Nutzers vereinheitlicht und auf eine zentrale Oberfläche holt. Gleichzeitig integriert das Angebot einen digitalen Anrufbeantworter sowie die Möglichkeit, Kurznachrichten zu erhalten und zu verschicken. All diese Informationen sollen auf einer einzigen Website zusammenlaufen und können durchsucht werden - Sprachbotschaften in englischer Sprache kann Google Voice sogar in Text umsetzen sowie ein Gespräch auf Knopfdruck aufzeichnen, so dass man es später im Web abhören kann.
Zunächst steht Google Voice nur ehemaligen Kunden des Anbieters GrandCentral zur Verfügung, den der Online-Konzern im Sommer 2007 für fast 100 Millionen Dollar übernommen hatte, um ihn dann zu seinem eigenen Sprachdienst umzubauen. Man werde das Angebot für andere Nutzer aber "bald" öffnen, hieß es in einem Posting im offiziellen Google-Weblog. Europäer müssen allerdings zunächst draußen bleiben: Es stehen am Anfang nur amerikanische Rufnummern zur Verfügung, die wohl auch nur an Inländer vergeben werden.
Wirklich neu ist die Technik nicht - sie wird unter dem Schlagwort "Unified Messaging" bereits von diversen kleineren und größeren Firmen vertrieben, in Deutschland von vielen Telefon- und VoIP-Anbietern, in den USA etwa von Diensten wie Callwave. Google Voice wirkt auf den ersten Blick allerdings radikaler. Und das aus einem einfachen Grund: Weil das Angebot grundsätzlich umsonst ist und beispielsweise Gratis-Gespräche in alle US-Netze beinhaltet. Außerdem werden kostenlose Filter angeboten, um Werbeanrufe zu unterbinden und Telefonkonferenzen integriert. Allein für Anrufe ins Ausland muss man zahlen, im Vergleich zu anderen US-Telefonanbietern sind die Preise allerdings äußerst günstig.
Marktanalysten halten den Dienst deshalb durchaus für chancenreich. Jon Arnold, Berater bei Arnold & Associates, sagte der britischen BBC, Google sei immer ein Anbieter, der bestehende Strukturen auflösen könne. "Das könnte groß werden." Google betonte bei der Vorstellung von Voice vor allem die Möglichkeit, Anrufbeantworter zu vereinheitlichen. "Die meisten Leute mögen die nicht", sagte ein Sprecher. Mit dem Google-Angebot, das aus Sprache Text mache, könne man Nachrichten auf einen Blick übersehen und Uninteressantes ignorieren. Außerdem lassen sich mit Google Voice alle bereits eingegangen Botschaften durchsuchen, egal ob sie gestern oder vor Monaten auf dem Anrufbeantworter landeten.
Klar ist aber auch eins: Sollte sich Google Voice durchsetzen, besitzt der Online-Riese einen dritten großen Datenpool. Die Web-Suche erlaubt bereits heute einen intimen Blick in die Wünsche der Kunden, die über Google alles auffinden wollen, was sie interessiert. Google Mail enthält wiederum die elektronische Textkommunikations. Mit Google Voice käme nun auch die Sprache hinzu. Datenschützer warnen schon seit längerem vor dem gigantischen Informationsberg, der bei dem Online-Konzern zusammenläuft. Noch sähen die Nutzer aber die Vorteile, die Google mit seinen Diensten böte.
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