Grafs Anwalt bittet um Milde

■ Steffi Grafs Vater habe im Finanzspiel Übersicht verloren

Mannheim (taz) – Die üblichen Gerichtsrentner mußten gestern etwas früher aufstehen: Nur 61 Plätze standen der „interessierten Öffentlichkeit“ zur Verfügung, um das Plädoyer von Rechtsanwalt Franz Salditt im Steuerverfahren gegen Peter Graf mitzuerleben. Nun also hatte Salditt Match-Ball im letzten Satz nach 34 Verhandlungstagen vor der 24. Großen Strafkammer des Mannheimer Landgerichts.

Bereits am Montag dieser Woche hatte die Staatsanwaltschaft sechs Jahre und neun Monate Haft wegen Steuerhinterziehung gefordert. Salditt bat um Nachsicht: Dem harten Aufschlag der Staatsanwälte folgte gestern die defensive Taktik des Verteidigers, der in einer sehr gebirgigen Rede davon sprach, wie hilflos Peter Graf in den Steuerjahren 1989 bis 1993 „allein und verlassen in den Seilen der Aiger-Nordwand“ hing und einfach nur die Übersicht verlor.

Immer wieder mühte Grafs Rechtsanwalt das Bergsteigermilieu, um den Kernpunkt der Anklage zu entkräften, wonach der Vater von Tennisstar Steffi Graf 19,2 Millionen Mark auf illegalen Wegen am deutschen Finanzamt vorbeigeschmuggelt habe.

Dabei schilderte er seinen Mandanten nicht nur als alkoholkrank, sondern versuchte bei der aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffen bestehenden Strafkammer auch Verständnis dafür zu wecken, daß Peter Graf als „Emporkömmling“ zum Steuerzahlen ein gestörtes Verhältnis gehabt habe. „Das ändert sich immer erst in der zweiten Generation.“

So aber hätten falsche Freunde und depperte Berater den Millionärsvater erst in die Wand gelockt und dann hängengelassen. Tatsächlich hatte Peter Graf bei der Auswahl seiner Steuerberater ein unglückliches Händchen. Der erste, Professor Flick, machte ihm Hoffnungen, dann legte er das Mandat nieder. Der nächste, Peter Lier, habe „Pate“ gestanden bei der Gründung der ominösen Briefkastenfirma Sunpark auf den niederländischen Antillen, und schließlich habe der dritte, Professor Schaumburg, dem „völlig überforderten“ Papa gar nichts davon erzählt, wie kriminell das Steuerhinterziehungsmodell gewesen sei. Ganz zu schweigen von Meister Eckardt (Joachim), dem allerletzten cleveren Berater.

Schuld an der Familentragödie Graf, meldete Salditt dem Gericht, tragen aber auch die Sponsoren. Adidas habe längst gewußt, daß der Umweg über die Antillen nicht mit deutschem Steuerrecht zu vereinbaren gewesen sei.

Mit dem gleichen, nicht zu interpretierendem Lächeln, mit dem er das Plädoyer der Staatsanwaltschaft entgegennahm, hörte Richter Joachim Plass den sechsstündigen Ausführungen des Anwalts zu. Bei der Urteilsverkündung am Freitag wird die Bewertung eines psychiatrischen Gutachtens eine Rolle spielen, wonach Peter Graf möglicherweise nicht ganz zurechnungsfähig ist.

Viel Alkohol gepaart mit wenig Selbstwertgefühl soll die Mischung gewesen sein, mit der Graf sich in das Seil begeben hat, aus dem ihn, laut seinem Anwalt, wohl nur noch die Bergwacht retten kann. Philipp Maußhardt