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Graduiertenkolleg für islamische TheologieDie Emanzipation im Koran

Ein neues Graduiertenkolleg will sich mit dem Islam in Deutschland auseinandersetzen. Eine Doktorandin untersucht feministische Diskussionen in der islamischen Theologie.

Versuche den Islam besser zu verstehen: Im neuen Kolleg oder beim Tag der offenen Moschee. Bild: dapd

BERLIN taz | Wie könnte ein zeitgemäßer Islam für in Deutschland lebende Muslime aussehen? Diese Frage will das erste Graduiertenkolleg für islamische Theologie in Deutschland beantworten, das in diesem Herbst gestartet ist. Ein ambitioniertes Ziel - das Graduiertenkolleg geht es in diesem Wintersemester zunächst mit sieben jungen Doktoranden an, die am Donnerstag in Berlin ihre Forschungsfelder präsentierten.

Sie dissertieren, unterstützt von der Stiftung Mercator, jeweils an einer der sieben deutschen Universitäten, die Lehrstühle der Islamischen Theologie führen. "Wir wollen eine neue islamische Theologie für den europäischen Kontext schaffen", sagt Mouhanad Khorchide, Projektkoordinator des Graduiertenkollegs.

Die vier Doktorandinnen und drei Doktoranden wagen sich dabei auf kaum erschlossene Gebiete vor. Nimet Seker möchte beispielsweise den feministischen Diskurs der Islamischen Theologie untersuchen - und wiederbeleben. An der Universität Münster promoviert die 31-Jährige deshalb zu feministischen Perspektiven auf die Koranhermeneutik - also auf grundsätzliche Glaubensannahmen von Muslimen.

"In der Gesellschaft ist die Rolle der Frau als gleichberechtigtes Mitglied der Gemeinschaft schon relativ verbreitet", sagt Seker, "der Theologie fehlt diese Perspektive in Deutschland dagegen." Der Koran biete viele Ansätze für emanzipatorische Ideen. Diese will sie nun aus früheren feministischen Werken herausarbeiten.

Verband begrüßt Kolleg

Dass es kaum deutschsprachige wissenschaftliche Texte zu Koranauslegung und grundsätzlichen Glaubensannahmen gibt, sieht auch Ender Cetin als ein Problem an. Der Sprecher des Berliner Landesverbandes des muslimischen Dachverbands Ditib beobachtet die vorgestellten Promotionsprojekte interessiert. "Wir brauchen eine Debatte in Deutschland über den Islam, den wir haben wollen", sagt Cetin.

Der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM), dem auch Cetins Dachverband angehört, hatte sich in der Vergangenheit mehrfach kritisch zu den Studiengängen der Islamischen Theologie an deutschen Universitäten geäußert. "Der Islam des 21. Jahrhunderts in Deutschland sollte sich auf die Basis türkischer Traditionen und Erfahrungen berufen", sagt Cetin, "aber hier weitergedacht werden und ein eigenes Flair entwickeln." Dafür biete das Graduiertenkolleg eine wichtige Grundlage.

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2 Kommentare

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  • M
    Marti

    Über Frauenbefreiung wird in der islamischen Welt schon lange diskutiert. Das bahnbrechende Werk "tahrir al-mar'a" (Die Befreiung der Frau) von Qasim Amin erschien bereits im Jahre 1899, in Worten achtzehnhundertneunundneunzig.

     

    Der selbe Autor hat noch weitere Werke verfasst, die für Frauenrechte eintreten, beispielsweise "huquq an-nisa fi'l-islam” (Die Rechte der Frauen im Islam) und "al-mar'a al-dschadida" (Die neue Frau).

     

    Der Autor, von Beruf Jurist, war ein bedeutender und prominenter Denker der arabischen Wiedergeburt. Geholfen hat das alles aber nichts!

     

    Das Problem sind nicht fehlende muslimische Intellektuelle, die für Frauenrechte eintreten, die gibt es genug, sondern die beherrschende Stellung des Islams, mit seiner Auffassung, dass nur Allah Gesetzgeber sein kann, nicht aber der Mensch.

     

    Die Spielräume zu einer Verbesserung der Stellung der Frau innerhalb der islamischen Orthodoxie sind schon lange ausgeschöpft. Ändern kann sich nur etwas, wenn die (sunnitischen und zwölferschiitische) Orthodoxie die Macht abgeben würde, was aber nirgendwo in Sicht ist.

     

    Da die Orthodoxie überdies islamische Orthodoxie und Islam gleichsetzt und für die Verteidigung des Islam nach einem breiten Konsens Gewalt angewandt werden darf, sieht es schlecht aus für muslimische Frauen.

     

    Artikel wie der obenstehende sind nichts weiter als Augenwischerei. Der Wirklichkeit in Auge zu schauen würde das Überdenken tief eingefahrener Vorstellungen von Grünen und Linken erfordern, beispielsweise dass der Islam eine Religion so ähnlich wie das Christentum sei und deshalb die selben Entwicklungen, die es in Europa gab, auch in der islamischen Welt eintreten müssen.

     

    Der orthodoxe (und fundamentalistische und traditionelle) Islam umfasst nach eigener Selbstsicht nicht nur den Bereich des Religiösen, sondern auch die gesamte Gesetzgebung. Wer also die Gesetze ändern will, greift den Kern des Islams an. Das ist ganz anders als im Christentum.

  • P
    pauli

    "Der Islam des 21. Jahrhunderts in Deutschland sollte sich auf die Basis türkischer Traditionen und Erfahrungen berufen"

    was soll das denn heißen? da hätte man als journalistIn mal nachhaken sollen.