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■ Liebeserklärung an eine BewegungGorleben lebt und lebt ...

Allenthalben hören wir das Gejammer, wie schnellebig doch die sozialen Bewegungen seien. In den einst von Hausbesetzern geretteten Wohnungen aalen sich heute Werbegrafiker auf Wasserbetten; feministische Vorkämpferinnen von früher stärken jetzt die weltweite Tierbefreiungsbewegung; Umweltschützer von Anno Tobak machen sich nun wie in Brandenburg als Minister für Großflughäfen stark oder kriegen wie im Saarland ihre ministerielle Frühverrentung als Versager vom Dienst hinterhergeschmissen. Schwarzer, Platzek und Leinen bricht und nur eine Bewegung nicht, alles, alles geht vorbei, nur Gorleben bleibt sich treu ...

Seit das wendländische Dorf 1977 zum atomaren Standort ausgerufen wurde, haben die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg und ihre Fans es geschafft, den antiatomaren Widerstand immer wieder aufs neue zu entfachen – über Jahre und Jahrzehnte hinweg. Das soll ihnen mal jemand nachmachen! Romantikerinnen wie mir wird einfach warm ums Herz, wenn ich die widerspenstigen Frauen von Gorleben wiedersehe – und sei es nur, wie jetzt, im Fernsehen. Die BI-Vorsitzende Susanne Kamien, die ehemalige Vorsitzende Marianne Fritzen, die andere Ehemalige Rebecca Harms. Und daneben und dahinter und davor die Alten, die sich mit 70 und mehr Jahren immer noch auf Straßen und Schienen setzen. Und das nachgewachsene junge Gemüse, eine ganze neue Generation seit 1977, kämpferisch gestimmte Schüler und Schülerinnen, die es nicht mehr auf der Schulbank hält, wenn der Castor zu kommen droht. Das Gericht, das den heißen Atomtransport zumindest vorläufig gestoppt hat, wird jede politische Rücksichtnahme sicherlich aufs heftigste dementieren, aber dennoch können die Wendländer Widerständler diesen Sieg als den ihren feiern.

Über die Gründe, warum die Lüchow-Dannenberger nicht zum Aufgeben zu bewegen sind, ist schon viel Kluges geschrieben worden. Heute sollte man ihnen einfach nur mal wieder heiß und herzlich gratulieren. Gorleben lebt und lebt und lebt ... Ute Scheub

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