Gorbatschows neue Sowjetunion

■ Entwurf eines Vertrages für eine Union souveräner Sowjetrepubliken DOKUMENTATION

Der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow hat dem Parlament einen Vertragsentwurf für eine „Union souveräner Sowjetrepubliken“ vorgelegt. Er soll den Vertrag zur Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken von 1922 ablösen. Nachfolgend Auszüge aus dem am Samstag von 'dpa‘ veröffentlichten Text.

Präambel

Die souveränen Republiken als Beteiligte dieses Vertrages drücken den Willen ihrer Völker zur Erneuerung der ganzen Union aus.

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Unter Berücksichtigung der Interessen ihrer Völker, der Entwicklung der nationalen Kultur, der gemeinsamen Sicherheit ... und des Wandels im Leben des Landes und der ganzen Welt entscheiden sie den Aufbau ihrer Beziehungen in der Union souveräner Sowjetrepubliken auf neuem Fundament.

I. Hauptprinzipien

1. Jede am Vertrag beteiligte Republik ist ein souveräner Staat und bestimmt die gesamte Staatsmacht auf ihrem Territorium. ...

2. Die Republiken, die die Union ... bilden, stellen die unveräußerlichen Rechte jedes Volkes auf Selbstbestimmung und Selbstregierung fest sowie die Bestimmung aller Fragen ihrer eigenen Entwicklung. ...

3. Die Republiken stellen den Vorrang der Menschenrechte als wichtigstes Prinzip ihrer Vereinigung fest.

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Bürgern der UdSSR sind die Freiheit der Religion und andere politische Rechte gewährleistet. ...

4. Die Republiken sind den Prinzipien sozialer Gerechtigkeit verpflichtet. ...

5. Die Republiken verfügen über eine eigene politische Struktur und ... ein System von Machtorganen. Sie betonen die Hauptprinzipien der Demokratie wie Volksvertretung und Rechtsstaatlichkeit. ...

6. Die Republiken sichern die Erhaltung nationaler Traditionen, Erziehung und Kultur. ...

7. Hauptanliegen im internationalen Bereich sind Frieden, die Beseitigung von Atom- und anderen Massenvernichtungswaffen. ...

II. Aufbau der Union

1. Die Mitgliedschaft der Republiken in der Union ist freiwillig. ...

2. Die Grenzen zwischen den Republiken können nur durch Abkommen zwischen diesen geändert werden....

4. Die Beziehungen zwischen den Republiken beruhen auf der Grundlage territorialer Integrität und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten.

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Die Republiken erlauben auf ihrem Gebiet keine Streitkräfte und Militärstützpunkte ausländischer Staaten und schließen keine Verträge, die den Interessen der Union oder der Republiken widersprechen.

5. In die Zuständigkeit der Union fallen Verteidigung der territorialen Integrität und Sicherheit der Union, Schutz der Staatsgrenze der UdSSR, ... Organisation der Verteidigung und Führung der Streitkräfte der UdSSR, ... Ausarbeiten und Erfüllen der Außenpolitik einschließlich internationaler Verträge der UdSSR, Koordinierung der internationalen Beziehungen der Republiken, Regulierung des Außenhandels der UdSSR und Koordinierung der Außenwirtschaftsbeziehungen der Republiken.

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Die Union bestimmt gemeinsam mit den Republiken die Strategie der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes und die Schaffung von Bedingungen zur Entwicklung eines unionsweiten Marktes auf der Grundlage einer gemeinsamen Währung.

Die Union stellt den Haushalt auf, ... organisiert die Energieversorgung sowie Eisenbahn-, See- und Lufttransport, ... gewährleistet den Schutz der öffentlichen Ordnung und die Verbrechensbekämpfung.

Die Zuständigkeiten der Union können nicht ohne Übereinstimmung aller Republiken geändert werden.

6. ... Jede Republik kann der Union Bereiche der eigenen Zuständigkeit übertragen.

Die Union kann bei Zustimmung aller Republiken Bereiche der Zuständigkeit an eine oder mehrere Republiken für deren Gebiet abtreten.

7. Die Union und die Republiken sichern die freie Entwicklung und den Schutz aller Formen von Eigentum.

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Die Republiken sind die Eigentümer ihres Territoriums. ...

9. Gesetze der Republiken haben auf den Territorien der Republiken Vorrang in allen Fragen außer denen, die in die Kompetenz der Union fallen.

Die Gesetze der Union haben Vorrang und sind zwingend auf dem Territorium aller Republiken.

Eine Republik hat das Recht, gegen Unionsrecht zu protestieren, wenn es seiner Verfasssung widerspricht.

Die Union kann sich gegen Gesetzesakte der Republiken aussprechen, wenn diese den Unionsvertrag, die Verfassung oder Gesetze der Union verletzen.

Alle Streitfälle sollen vom Verfassungsgerichtshof entschieden werden.

III. Machtorgane und Regierungsorgane

11. Die Legislative der Union wird durch den Obersten Sowjet der UdSSR wahrgenommen. Er hat zwei Kammern.

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Die Unionskammer wird gewählt von der Bevölkerung des ganzen Landes, ...die Nationalitätenkammer wird gebildet aus Delegationen der höchsten Organe der Republiken. ...

12. Der Präsident der UdSSR ist das Oberhaupt der Unionsregierung und vertritt die höchste exekutive Macht. Der Präsident ist Garant für die Erfüllung des Unionsvertrages sowie der Verfassung und der Gesetze der Union. ... Der Präsident wird gewählt von den Bürgern der Union. ...

13. Der Vizepräsident übernimmt einige der Funktionen des Präsidenten und vertritt ihn. ...

14. Die Unionskammer wird gebildet unter der Leitung des Präsidenten, mit der Zugehörigkeit des Vizepräsidenten und der Führer der Republiken, ... zur Bestimmung der Hauptziele der Innen- und Außenpolitik der UdSSR. ...

15. Der Ministerrat wird gebildet vom Präsidenten in Zusammenarbeit mit dem Obersten Sowjet, dem Ministerpräsidenten ... und Führern anderer Staatsorgane der UdSSR.

Die Regierungsoberhäupter der Republiken sind Mitglieder des Ministerrats. ...

Der Ministerrat ist dem Präsidenten unterstellt und dem Obersten Sowjet verantwortlich. ...

16. Der Verfassungsgerichtshof der UdSSR nimmt die Kontrolle über die Erfüllung der Unions- und Republiksgesetze sowie die Verfassungen der UdSSR und der Republiken war. Er regelt Unstimmigkeiten zwischen den Republiken sowie zwischen den Republiken und der Union.

22. Der Unionsvertrag tritt mit seiner Unterzeichnung in Kraft. Für die Republiken, die ihn unterzeichnen, verliert der Vertrag zur Schaffung der UdSSR von 1922 seine Gültigkeit.

23. Der Unionsvertrag oder einige seiner Artikel können nur in Übereinstimmung aller Beteiligten geändert oder ergänzt werden. ...“