Goran Bregovic: King of the Balkan
Am Boom osteuropäischer Zigeunermusik ist Goran Bregovic nicht ganz unschuldig. Mit seiner Oper "Karmen (With A Happy End)" erklärt er sie zur Hochkultur.
D er Mann, der den Balkansound berühmt gemacht hat, gibt sich bescheiden: "Ich hatte das Glück, beim Ausbruch des Krieges nicht in Sarajevo eingeschlossen zu sein, sondern in Paris, wo ich an der Filmmusik zu 'Arizona Dream' arbeitete", sagt Goran Bregovic, während er in seinem Studio in Belgrad sitzt. "Ohne den Krieg wäre ich jetzt bloß ein pensionierter Rock-n-Roll-Star aus der Provinz."
Die Bescheidenheit ist allerdings nur gespielt. Denn Goran Bregovic weiß, dass seine Soundtrack-Kompositionen für die frühen Erfolgsfilme von Emir Kusturica wie "Time of the Gypsies" oder "Underground" ganz wesentlich zum Boom der Balkanmusik beigetragen haben, der bis heute immer neue Kreise zieht. Und er weiß, dass seine folkloristisch-orchestralen Film-Scores die Tür geöffnet haben für all jene Brass Bands und Zigeunerkapellen aus Osteuropa, die seitdem die Konzertbühnen der Welt bevölkern.
"Heute wird diese Musik vor allem als Hintergrundbeschallung geschätzt, zum Biertrinken und zur Unterhaltung", kritisiert er den rein konsumistischen Zugang. "Dabei ist es keine weniger ernsthafte Kunst als jede andere auch". Dennoch sieht er im Triumphzug der Zigeunerkapellen auch eine gewisse Ironie: "Theoretisch sollte die Kunst ja das Leben reflektieren", sinniert er. "Da ist es doch erstaunlich, dass von so einem traurigen Ort wie dem Balkan so fröhliche Musik kommt." Für solche griffigen Aporien ist Bregovic berühmt.
Gerade erst hat er, nach langer Zeit, wieder ein Album herausgebracht: "Karmen", eine Adaption der "Carmen"-Oper auf balkanische Art. Bei Bregovic wurde daraus eine Geschichte über ein junges Mädchen aus Osteuropa, das sich auf den Straßen des Westens prostituiert. Mit dem Original von Bizet hat das Stück nicht mehr viel zu tun, selbst ein Happy End hat Bregovic der Story angedichtet. Dafür rumpelt und pumpelt es wieder gewaltig, energische Balkantrompeten wechseln sich per Paukenschlag mit Zigeunerarien und gesungenen Wehklagen ab.
Schon vor zwei Jahren feierte "Karmen with a K" Bühnenpremiere in Italien, seitdem wurde das Stück von Argentinien bis Korea aufgeführt. Warum erst jetzt das dazugehörige Album erscheint, kann auch Bregovic nicht so recht erklären. Ursprünglich schwebte ihm das Ganze ja als Szenario für einen Film vor. "In den nächsten zwei Jahren möchte ich versuchen, diesen Film fertigzustellen", kündigt Bregovic an, und dass er dann selbst auch Regie führen werde.
Will er etwa in Konkurrenz treten zu Emir Kusturica, mit dem ihn schon seit Jahren eine heftige Rivalität verbindet? Immerhin tourt Kusturica mit seiner eigenen Balkankapelle, dem "No Smoking Orchestra", um die Welt. Und erst kürzlich hat er mit "Zeit der Zigeuner" eine knapp dreistündige Punk-Oper an die Bastille-Oper in Paris gebracht. "Ach nein", wiegelt Bregovic ab."Ich bin ja kein ernsthafter Regisseur. Und Kusturica ist ja kein ernsthafter Musiker." Aber dann kann er sich eine spitze Bemerkung nicht ganz verkneifen: "Regisseure sind ein wenig wie Generäle. Das Problem ist nur, dass es keinen gibt, der dem Regisseur sagt, wenn der Krieg vorbei ist."
Bregovic dagegen hat sich längst von den Niederungen der Popkultur entfernt. Vor zwei Jahren ging er noch einmal mit seiner alten Rockband Bijelo Dugme auf große Reunion-Tour quer durchs ehemalige Jugoslawien, doch das war eine einmalige Sache: "Es war ein Zeichen, dass der Krieg vorbei ist." Doch lieber tingelt er noch immer mit großem Balkanorchester und seinen altbewährten "Geschichten und Liedern für Hochzeiten und Todesfälle" über die Theaterbühnen der Welt. Dass da nur ein weiterer Popstar nach höheren Klassikweihen zu streben scheint, ficht Bregovic nicht an: "Man kann nicht sein ganzes Leben lang ein Punk sein. Und ich kann mich nicht mehr so lächerlich kleiden wie damals, als ich jung war." Und dass ihm die von Roma-Ensembles geprägte Volksmusik des Balkans als bevorzugte Inspirationsquelle dient, darin sieht er sich in guter Gesellschaft: "Es gibt doch kaum einen ernsthaften Komponisten, der nicht von ihr beeinflusst war, von Bach bis Strawinsky."
Dass er die Musik der Roma zur Hochkultur erklärt, darin fühlt er sich sogar als Vorreiter: "In primitiven Gesellschaften werden auch die Zigeuner primitiv behandelt. Aber ich bin überzeugt davon, dass ihre Musik in den nächsten Jahren noch stärkere öffentliche Anerkennung erfahren wird."
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