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Google offenbart MobilfunkpläneAngriff auf Nokia und Microsoft

Der Internet-Konzern kündigt eine eigene Software-Plattform für Mobiltelefone an. Bisher ist aber alles andere als gewiss, ob Google damit einen nennenswerte Chance hat.

Google bald auch im Phone? Bild: ap

BERLIN taz Gerüchte, dass die große Suchmaschine ein "Google Phone" plane, geistern bereits seit mehreren Monaten durch die Online- und Mobilfunkszene. Nun ist klar, was der Internet-Konzern wirklich will: Gestern kündigte Google am Firmensitz im kalifornischen Mountain View die so genannte "Open Handset Alliance" an, eine offene Mobilfunkplattform, die auch auf den (leicht schrägen) Namen "Android" hört. Statt ein eigenes Handy zu bauen, überlässt Google dies somit seinen Partnern: "Ein Google Phone wird es nicht geben, wir planen etwas viel besseres", hieß es am Montagabend aus dem Unternehmen.

Dazu versammelt der Konzern über 30 Partner, darunter Handy-Hersteller wie HTC (China), Motorola, LG und Samsung, aber auch diverse bedeutende Netzbetreiber wie NTT DoCoMo (Japan), T-Mobile, Sprint Nextel (USA), Telecom Italia, Telefonica (Spanien) und China Mobile. Hinzu kommen kleinere und größere Lieferanten für Mobilfunktechnik wie Texas Instruments, Broadcom, SiRF und PacketVideo, sowie der E-Commerce-Dienstleister eBay.

Die Idee hinter "Android" ist recht einfach: Google will eine auf Open-Source-Technologien aufbauende Plattform schaffen, mit der sich leichter Software für Mobiltelefone entwickeln lässt. Aktuell müssen Softwarehersteller ihre Handy-Anwendungen kompliziert für mehrere Plattformen anpassen. Innerhalb von "Android" soll nun ein Linux-Kern mit Betriebssystem laufen, der notwendigen "Middleware" und einem "benutzerfreundlichen Interface", wie Google betonte. Auch erste Anwendungen will man mitliefern, weitere können die Partner erstellen.

Wirklich sehen und anfassen kann man die Plattform allerdings noch nicht: Frühestens 2008 sollen Geräte auf den Markt kommen, die meisten Beobachter rechnen eher mit der zweiten, denn der ersten Jahreshälfte.

Google begibt sich mit seiner Allianz in direkte Konkurrenz mit etablierten Anbietern von Betriebssystemen für Mobilfunk wie Microsoft (Windows Mobile) und Nokia (Symbian). Diese lassen sich dies mit einigen Dollar pro Gerät bezahlen. Noch ist unklar, ob "Android" für Handy-Hersteller gänzlich kostenlos sein wird - unterbieten wird Google die Konkurrenten aber auf alle Fälle. Ziel seien kostengünstige Geräte mit breiten Anwendungsmöglichkeiten, hieß es.

Mit Motorola, Samsung und LG tritt allerdings zunächst nur die zweite Garde der Handy-Hersteller an - zudem ist unklar, wie weit sich diese auf "Android" einlassen werden. Es sei gut möglich, hieß es am Montag von Marktbeobachtern, dass nur einzelne Geräte mit der Technologie ausgestattet würden. Große Player wie Nokia und Sony Ericsson nehmen an der Initiative nicht Teil - sie nutzen eigene Plattformen bzw. sind, wie bei Nokia bereits erwähnt, selbst Betriebssystementwickler.

Auch Apple fehlt: Das Unternehmen, das mit seinem iPhone einen schnellen Markterfolg zu feiern scheint, nutzt seine eigene Software auf Basis des eigenen Betriebssystems "OS X". Da Apple und Google an anderer Stelle eng zusammenarbeiten (so läuft die "Google Maps"-Anwendung auf dem iPhone), ist das Fehlen bei "Android" recht interessant. Andererseits gehört Apple traditionell zu den Unternehmen, die ihre Software streng kontrollieren - und nicht aus der Hand geben wollen.

Google musste sich gestern den Vorwurf gefallen lassen, nur so genannte "Vaporware" präsentiert zu haben: Das sind Produkte, die zwar groß angekündigt werden, aber noch nicht oder nur teilweise verfügbar sind. "Hat Google etwa vergessen, was die Herstellung von Software bedeutet?" fragte der bekannte Technologie-Blogger Derek Powazek. Er sei immer dafür, wenn große Firmen sich an Lösungen für große Probleme machten, doch man müsse solch utopischen Ankündigungen auch mit echten Produktvorstellungen untermauern.

Auch der bekannte Silicon Valley-Marktbeobachter Om Malik schimpfte, es handele sich bei der Ankündigung "sehr wahrscheinlich um eine PR-Maßnahme". Interessant ist dabei, dass Google für andere Mobilfunkplattformen weiterhin Software anbieten will - wer den Kartendienst der Suchmaschine oder das Videoangebot "YouTube" nutzen möchte, wird dies auch weiterhin auf Nokia & Co. tun können.

Das Unternehmen beeilte sich am Montag zu betonen, man stelle hier nur eine Plattform für Entwickler vor, entsprechender Programmcode solle in den nächsten Wochen nachgereicht werden.

Unklar ist ebenfalls, welches Verdienstmodell Google für sich selbst anstrebt. Die Suchmaschine ist trotz ihrer Ambitionen in zahlreichen Bereichen der Computer- und Software-Industrie vor allem ein hochprofitabler Werbevermarkter, anderer Segmente sind nur ein Nebengeschäft. Ob entsprechende Technologie auch in "Android" eingebaut wird, darüber gab es am Montag keine Auskunft.

Andy Rubin, "Android"-Vater und bei Google für die mobile Plattform verantwortlich, sagte nur, es werde "für längere Zeit" keine "werbegetriebenen Inhalte" für das System geben. Handy-Hersteller könnten diese aber anbieten. Dass Google sich die Chance nehmen lässt, selbst derart personalisierte Werbung zu verkaufen, sei jedoch längerfristig kaum zu erwarten, meinten am Montag Experten aus der Onlinewerbebranche.

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