Golfkonflikt: Dialogbereitschaft nach UNO-Resolution: Zeitgewinn bis zum Ende des Ultimatums
■ Die irakische Führung hat am Samstag das Angebot der USA zu direkten Gesprächen über eine friedliche Beilegung des Golfkonflikts angenommen. George Bush nahm mit seiner Offerte seinen Kritikern zunächst den Wind aus den Segeln. Irak fordert nach wie vor die Aufnahme der Palästinenserfrage in den Themenkatalog.
Fast gelangweilt sah das Pressecorps am Freitag morgen im Weißen Haus einer neuen Frage- und Antwortsession mit dem Präsidenten entgegen. Nachdem bisher keine der Erklärungen Bushs für einen Krieg gegen den Irak die US-Öffentlichkeit voll befriedigt hatte, wollte der Präsident bestimmt wieder Überzeugungsarbeit leisten, so die einhellige Erwartung. Und in seiner elfminütigen Ansprache an die Nation rekapitulierte er dann auch alle alten Begründungen für eine militärische Intervention am Golf. Die nicht zu tolerierende „Brutalität“ und „Aggressivität“ Saddam Husseins, die Gefahr, daß der Irak bald die Atombombe besitzen werde, usw. Und neue Argumente wurden hinzugefügt: die wirtschaftlichen Auswirkungen eines unsicheren Ölmarktes auf die noch schwachen Demokratien in Osteuropa und auf die rezessionsgeplagten USA. Noch während Bush sprach, stiegen in New York die Aktienkurse. Und der Marktpreis für das schwarze Gold fiel.
Aber dann, kurz vor Schluß, beinahe versteckt in seinem Skript, kam die Überraschung. George Bush gelobte, „die Extrameile für den Frieden“ zu gehen, lud den irakischen Außenminister Tarik Asis für die übernächste Woche nach Washington ein und versprach, James Baker anschließend nach Bagdad zu schicken. Die Presse war zu baff, um kritisch zu reagieren. Fragen nach der Substanz des Angebots blieben aus. Warum etwa bei dem Washingtonbesuch von Tarik Asis die Botschafter der Staaten der Anti-Irak-Koalition mit ihrer Anwesenheit jeden Dialog unmöglich machen sollten. Und wie denn in Bagdad überhaupt eine Diskussion zustande kommen soll, wenn die USA nach wie vor auf dem bedingungslosen Rückzug der irakischen Truppen, der Wiedereinsetzung der kuwaitischen Emirs und dem Ausschluß der Palästinenserfrage bestehen wollen? Keiner bohrte weiter.
Auch Bushs Erklärung, warum er seinen Außenminister denn zu dem hitlerianischen „Madman“ schicken wolle, vermochte wenig zu überzeugen. US-Geheimdienstberichten zufolge bestehe der Verdacht, daß ein allzu ergebener Beraterstab den guten Saddam von der Realität isoliere, so daß dieser die amerikanische Drohung mit militärischer Gewalt immer noch nicht ernst nehme. So als wäre einer, der wie Saddam den ganzen Tag lang den US-Nachrichtenkanal CNN guckt, über den Realitätsgehalt des Golfkonfliktes nicht voll auf dem laufenden.
Konzession oder neues Ultimatum?
Doch auch die fragwürdige CIA- Theorie wurde nicht hinterfragt. Nur bei einer Frage geriet der Präsident in Schwierigkeiten: ob denn der Gesprächsvorschlag eine neue Konzession oder nur ein erneutes Ultimatum sei. „Keines von beiden“, versuchte anschließend einer seiner Unterlinge zu erklären. Trotz dieser kleinen Ungereimtheit hatte George Bush es am Ende mit seiner Gesprächsofferte geschafft, seinen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Die Reaktion auf die Offerte des US-Präsidenten, die vor allem für den innenpolitischen Gebrauch bestimmt war, hätte nicht positiver sein können. Rechte Republikaner wie linke Demokraten lobten George Bushs neuen Schachzug, wenngleich einige unter ihnen nur wiederwillig. Denn nachdem der Kongreß George Bush in der letzten Woche heftig unter Druck gesetzt hatte, die Volksvertreter vor einer Kriegserklärung nachhaltig zu konsultieren, hatte der Präsident nun den Spieß herumgedreht. Sie sollten doch selbst eine Sondersitzung einberufen, hatte er die Abgeordneten aufgefordert — und damit zurückgeblufft.
Denn der Kongreß meckert zwar gerne an der Administration herum; aber vor den Augen der Öffentlichkeit in Sachen Golfkrieg gegen den Präsidenten zu stimmen, das würde sich am Ende dann doch kaum einer trauen. Die Übernahme von politischer Verantwortung war noch nie die Stärke der Männer auf Capitol Hill. George Bush hat mit seiner Initiative erreicht, was er erreichen wollte: Zeitgewinn bis zum Ende des Ultimatums.
Rolf Paasch, Washington
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