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Goldstone-Bericht vor UN-MenschenrechtsratGroße Furcht vor Konsequenzen

In Genf berät der UN-Menschenrechtsrat über den Goldstone-Bericht. Palästinenser fordern eine sofortige Behandlung, Israel warnt vor "Rückschlag im Friedensprozess".

Der UN-Beauftragte Richard Goldstone in Gaza City. Bild: ap

Der vor einem Monat veröffentlichte Untersuchungsbericht zum Gazakrieg liefert weiter Zündstoff im palästinensisch-israelischen Disput. Vor einem "Rückschlag im Friedensprozess" warnte Israels UN-Botschafterin Gabriela Schalew vor dem UN-Sicherheitsrat.

Die Debatte über den Bericht habe "mit dem Friedensprozess nichts zu tun", meinte hingegen der palästinensische Premierminister Salam Fayyad. "Wir werden alles tun, um die Möglichkeit zu nutzen, unser Volk zu schützen."

Der UN-Menschenrechtsrat berät am Freitag in Genf über den von der UN in Auftrag gegebenen Untersuchungsbericht, der Israel wie der Hamas vorwirft, während des Gazakrieges Ende Dezember bis Mitte Januar Menschenrechte verletzt und möglicherweise sogar Kriegsverbrechen begangen zu haben.

Bereits am Mittwoch hatte der palästinensische Außenminister Riad Malki im Rahmen der von Libyen beantragten Sitzung des UN-Sicherheitsrates eine Bestrafung Israels für die während der Gaza-Operation begangenen Kriegsverbrechen aufgefordert.

"Die Palästinensische Autonomiebehörde vertritt immer radikalere Standpunkte", titelte die liberale Haaretz in dieser Woche. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte zunächst auf Druck des Weißen Hauses für eine Verschiebung der Debatte über den Bericht auf den kommenden März plädiert. Damit löste er so heftigen Unmut bei der Hamas aus, dass die Führung im Gazastreifen übergroße Fotos von Abbas aufstellen ließ mit dem Aufruf an die Bevölkerung, das Präsidentenbild mit Schuhen zu bewerfen.

Auch innerhalb der Fatah musste sich der Chef schwere Kritik anhören, bis er schließlich seine Meinung revidierte und am Sonntag doch die sofortige Debatte im UN-Menschenrechtsrat forderte.

Mit dem Hin und Her über den Goldstone-Bericht habe die Führung ein "schwaches Bild" abgegeben, räumte Fayyad am Mittwoch vor Korrespondenten ein. Der Bericht solle "entsprechend den Maßstäben der UN behandelt werden", sagte er. Möglich ist, dass der Menschenrechtsrat den Bericht an den UN-Sicherheitsrat weiterleitet.

Theoretisch denkbar wäre, dass der Sicherheitsrat den Internationalen Gerichtshof mit der strafrechtlichen Verfolgung von israelischen Soldaten und sogar Politikern beauftragt. Dagegen dürften die USA ihr Veto einlegen.

Der südafrikanische Richter Richard Goldstone, Chef der UN-Untersuchungskommission, forderte in seinem Bericht Israel und die Palästinenser zu einer eigenen Untersuchung der Vorwürfe auf. Rund 1.400 Palästinenser, davon etwa die Hälfte Zivilisten, waren während der israelischen Offensive im Gazastreifen getötet worden.

Auf israelischer Seite starben insgesamt 13 Menschen. Von "reinem Wahnsinn" sprach der Minister Benni Begin (Likud). "Wir sind Kriegsverbrecher, nur weil wir uns verteidigen." Die Auseinandersetzung mit dem Bericht spiele der Hamas in die Hände, denn "sie weiß jetzt, dass sie tun kann, was sie will - die Welt wird sie retten".

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10 Kommentare

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  • R
    rugero

    an Flo

     

    primitive Ofenrohrraketen gegen High Tech Kriegsmaschinerie. Opferbilanz 13 : 1400. Das spricht für sich. Die Hamas hat auf israelische Wohnsiedlungen geschossen.Das ist beileibe nicht ok ! Israel hat aus Rache Gaza pulversiert und dabei Wohngebiete nicht ausgeschlossen, ja sogar UN-Einrichtungen wie Schule und Hilfmitteldepot beschossen. Wie soll man das bewerten ?

     

    Ist es so, daß eine Israeli mit Waffe per Definition stets in Verteidigung ist, während ein Araber mit Waffe per Definition stets ein terroristischer Aggressor ist ?

     

    Israel pocht auf sein Existenzrecht und das zu Recht. Aber warum sollen Palestinenser kein Recht auf einen souveränen Staat haben ? Warum müssen sie unter Besatzung leben in einem Flickenteppich von Land ?

     

    Mit Menschen- und Völkerrechtsverletzungen beseitigt man keinen Terrorismus.

     

    Israel tut alles, um ein negatives Image immer weiter auszubauen. Wenn die USA eines Tages als Schutzmacht ausfallen oder den ganzen Militärapparat nicht mehr bezahlen wollen wird das für Israel fürcherlich ausgehen.

  • S
    Samia

    @Flo

    also dass Hamas keine Uniform trägt, ist einfach eine Unwahrheit, sie formieren sich und uniformieren sich, gerade um den kämpferischen Widerstand darzustellen. In den Berichten über Proteste in Gaza und bei Schaustellungen sind sie uniformiert, tragen ihre Gewehre offen herum und machen keinen Hehl daraus, dass sie in den Kampf ziehen. Jeder hat diese Bilder schon gesehen. Dass sie mitten in der Bevölkerung sind unter zivilen Menschen ist kein Wunder, denn wenn du die Besiedlung des Gaza-Streifen kennst, dann weißt du ja sicher, dass rund 4000 Einwohner pro Quadratkilometer zusammenleben müssen, ohne eine Gelegenheit, sich großartig ausweiten zu können oder zu fliehen, da die Grenzen dicht sind.

     

    Also zivile Opfer sind nicht nur mit einkalkuliert, sondern gewollt-allerdings eher auf der anderen Seite, Israel zermürbt natürlich damit die Bevölkerung, schwächt die Popularität der Hamas, weil sie so argumentieren wie du, und sie haben es sich auf die Fahne geschrieben, sehr viel härter zu antworten, als sie es selber erfahren. Also ich denke, wir müssen doch hier nicht diskutieren, ob der Gaza-Krieg in diesem Ausmaß zu rechtfertigen ist, wo sind denn unsere moralischen Ansprüche an das Leben und an uns selber???

  • F
    Flo

    Alles was nicht pro-Palästina ist, ist Meinungsmache? Soso...

     

    Für alle die es noch nicht mitbekommen haben...

    Die Hamas trägt keine Uniform. Die Hamas schießt Raketen aus dicht besiedelten Wohngebieten nach Israel. Die Hamas bekämpft isr. Soldaten aus dicht besiedelten Wohngebieten (und sind wie gesagt rein äußerlich nicht von Zivilisten zu unterscheiden). Die Hamas nutzt die eigene Bevölkerung mehr oder minder als menschliches Schutzschild.

    Ein Angriff auf die Hamas war unvermeidlich, da kein Land auf Dauer Raketenbeschuss konsequenzlos hinnimmt. Einzelne Ereignisse, wie der Phosphoreinsatz sind natürlich zu verurteilen. Dennoch denke ich, die Schuld für die hohen Opferzahlen, sind eher bei der Hamas zu suchen. Ich denke ebenfalls, dass ohne zivile Opfer der Hamas sogar sehr gelegen kommen. Waffentechnisch kann sie unmöglich gewinnen. Daher muss man wenigstens den Krieg um die Medien gewinnen. Und wie gehst das besser, als mit Bilder wo Palästinenser tote Kinder oder Frauen in den Armen haben? Solche Bilder haben natürlich eine enorme Wirkung. Und es hat funktioniert. Sowohl in den islamischen als auch in den internationalen Medien ist fast ausnahmslos Israel der böse Agressor und Palästina das arme Opfer...

  • K
    Karl-Friedrich

    Israel ist ein Staat, dessen Gründung es den wenigen Überlebenden des Holocausts ermöglicht hat, einen Ort zu finden, wo sie leben konnten. Der damalige palästinensische Führer hat den Holocaust aktiv unterstützt. Noch heute ruft die terroristische Vereinigung Hamas zur Zerstörung Israels auf und ist zutiefst antisemitisch. Die meisten Palästinenser unterstützen die Hamas. Die Hamas greift permanent den demokratischen Staat Israel an. Israel wurde mehrmals von den anrainenden arabischen Ländern angegriffen. Seit ihrer Gründung müssen sie sich gegen Angriffe von außen verteidigen. Ich bitte das alles zu bedenken, auch wenn in jeder Auseinandersetzung mit Waffen "irgendwie" Unrecht begangen wird und jeder tote Mensch einer zu viel ist.

  • U
    uwe

    Wenn doch endlich die internationalen Strafverfolgungsorgane für Kriegsverbrechen tätig würden. Ob Hamas oder Politiker und Soldaten Israels - wer Kriegsverbrechen begeht, soll auf dieser Erde nicht mehr sicher sein und verfolgt und bestraft werden. Und von Medien erwarte ich umfassende Information und keine Meinungsmache!

  • A
    Andrea

    Interessant, ein Massaker in einem dicht besiedelten Flüchtlingslager, dessen Ausgänge versperrt waren und sind, gefährdet den "Friedensprozess" nicht. Ein Bericht über dieses Massaker gefährdet ihn jedoch?

    Dieser Logik kann ich nicht folgen.

    Israel wird dank den USA wieder straffrei bleiben. Und solange Israel beide Häuser und den Senat der US-Regierung im Griff hat, wird sich daran auch nichts ändern.

  • E
    eilbekermicha

    Israel stellt sich seiner Verantwortung nicht. Das Land verschliesst die Augen vor der Realität und dem, was es getan hat und wiederholt gleichzeitig selbstmitleidige und die Tatsachen verdrehende Formeln wie Gebete.

    Israel sieht den Friedensprozess blockiert, solange die in dem Bericht gegen das Land erhobenen Vorwürfe im Raum stehen. So so. Das ist die blanke Erpressung der UNO! Israel überschreitet sehr viele Grenzen und verteidigt dieses Verhalten aggressiv. Es benimmt sich wie ein verzogenes Kind, das nie "Nein" gehört hat.

  • HF
    Hans-Joachim Förster

    Israel steht zu Recht am Pranger - wer sich als "Demokratie" sieht, muss auch dementsprechende Handlungen vollführen. Wer dann 1400 Tote als Ergebniss von "Verteidigung" bezeichnet, ist schon von vornherein disqualifiziert, als Demokrat bezeichnet zu werden. Nun wissen wir, dass die Meinung der Weltöffentlichkeit ( und die besteht nicht nur aus dem Westen) nicht interessiert, umso mehr erstaunt, dass diesmal israelische Reaktionen da sind.

  • NF
    Norman Finketlstein

    liest sich wie ein israelischer Propagandabericht.

    Hohe journalistische Standards werden in diesem Bericht mit Fuessen getreten.

    Wenn man selbst der TAZ nicht mehr vertrauen kann, was kann man dann eigentlich noch lesen in Deutschland??

    Enttaeuscht.

     

    ck

  • H
    Heinz

    Nein, die Welt wird Hamas nicht um jeden Preis retten. Aber Israel wird sich ab jetzt genauer überlegen, ob es z.B. Phosphorbomben auf UN-Schulen wirft. Im übrigen sollte keiner so tun, als würde hier über die Abschaffung Israels entschieden.