: Götterbote wird 60
Der Rheinische Merkur feiert Geburtstag. Die Leser des Lieblingsblatts von Kanzler Adenauer altern kräftig mit
„Wer den Rheinischen Merkur liest, erfährt, wie die Welt aus christlicher Sicht aussieht (oder aussehen sollte)“, schreibt Wolfgang Bergsdorf, einer der Herausgeber der Zeitung, die gestern ihren sechzigsten Geburtstag in Bonn feierte. Die christlichen Tugenden sind laut Bergsdorf das Entscheidende, das den Merkur von anderen Zeitungen unterscheidet. Der Ruf, eine konservative Zeitung zu sein, haftete dem Rheinischen Merkur schon immer an – und wird tatkräftig weiter gepflegt. Etwa mit Beiträgen über den eigenen Konservatismus in der Geburtstags-Sonderbeilage.
Genehmigt von der französischen Besatzungsmacht, wurde das Blatt Mitte März 1946 erstmals in Koblenz gedruckt und verstand sich sogleich als Verfechter eines vereinten Deutschlands in einem friedlichen Europa. Franz Alfred Kramer baute die Zeitung nach dem Krieg auf. Der Solinger arbeitete zuvor als Korrespondent für verschiedene Zeitungen in Rom und Paris und lebte schließlich bis zum Kriegsende im Schweizer Exil.
Zu Zeiten Adenauers avancierte die Wochenschrift zum Leib-und-Magen-Blatt des Kanzlers. Selbst der damalige Chefredakteur Anton Böhm diagnostizierte in einem Nachruf auf Adenauer die „ursprüngliche Übereinstimmung in den großen Leitgedanken“, die zwischen Redaktion und Kanzler bestand. Mitte der 70er Jahre traten sogar mehrere katholische Bistümer und später auch die Deutsche Bischofskonferenz der Schar der Herausgeber bei. Doch entgegen jeglicher konservativer Klischees setzte sich die Zeitung schon früh für die Zusammenarbeit beider Konfessionen ein. So war es eigentlich auch kein Wunder, als der Rheinische Merkur 1979 mit dem protestantischen Blatt Christ und Welt fusionierte. Heute zählen Katholiken wie Protestanten zu den Herausgebern.
Die Auflagenzahl ist inzwischen zurückgegangen, es werden weniger als 100.000 Exemplare pro Ausgabe gedruckt. Über die Hälfte der Leser sind Abonnenten, fast drei Viertel sind 50 Jahre oder älter, zwei Drittel leben in den katholischen Hochburgen Nordrhein Westfalens und Baden Württembergs. Seit zwölf Jahren ist Michael Rutz Chefredakteur, der die Prinzipienfestigkeit der Vergangenheit in der Jubiläumsausgabe eifrig lobt. Denn so „sehen wir uns heute, da der Verlauf der Geschichte uns Recht gegeben hat, von allgemeiner Zustimmung umgeben“. Na denn prost!STEPHAN GROßE