: Glücklich mit Ratte „Mäuschen“
■ Beim Bremer Ratten-Stammtisch nagen Vierbeiner um die Wette
Ein großes Ereignis im Leben eines kleinen Nagers: Zusammen mit ihren „Frauchen“ und „Herrchen“ trafen sich am Wochenende etwa 40 Ratten zum neu gegründeten Bremer Ratten-Stammtisch auf einer Farm. Dort durften die Tiere auf einer Tischtennis-Platte Artgenossen beschnuppern und Müsliflocken fressen. „Meine Ratte soll auch mal unter Leute kommen“, sagte die 14jährige Tierfreundin Christina Meierdierks zum abendlichen Ausflug mit ihrem Schmusetier.
Bei dem Stammtisch, der vom „Verein der Rattenliebhaber und -züchter in Deutschland“ in 14 Großstädten angeboten wird, dreht sich alles um die fast meerschweinchengroßen Vierbeiner. Im Mittelpunkt stehen die Farbratten, die im Gegensatz zu den frei lebenden Wander- und Hausratten von Labor-Tieren abstammen und sehr krebsanfällig sind. Hier informieren sich die Fans über Tierhaltung und Zuchtergebnisse. Bundesweit gehören dem 1993 gegründeten Verein mehr als 400 Mitglieder an. „Tendenz steigend“, erklärte Anette Düdder, Sprecherin des Vereins. Vorbei seien die Zeiten, in denen „Gruftis“ und Punks mit einer Ratte auf der Schulter schockten. „Heute sieht man dem typischen Rattenhalter sein Haustier nicht an“, meinte die Sprecherin.
Während den dämmerungsaktiven Tieren beim Bremer Stammtisch Wasser und Gemüsekroketten gereicht wurden, fachsimpelten die stolzen Rattenbesitzer im Alter zwischen sieben und 70 Jahren. Die Themen kreisten um Fortpflanzung, Asthma-Sprays und Krebsleiden der Farbratten. Stephanie Guthke war aus dem 50 Kilometer entfernten Barnstorf angereist, um von Joghurtdrops und einer Vitamin-C-Kur für ihre Rattendamen „Gina“, „Marie“ und „Marlinka“ zu berichten. Bei Kaffee und Kuchen wurden Fotos der geschätzten Nager gezeigt.
Stammtisch-Organisatorin Tanja Wendeling versuchte indes die herrenlose Ratte „Nobody“ aus Wilhelmshaven zu vermitteln. Doch die meisten Stammtischgäste hatten sich bereits mit Farbratten eingedeckt. Seit einem Vierteljahr lebt die Rentnerin Ilse Chartrain mit „Mäuschen“, „Püppi“, „Bärchen“ und „Blacky“ unter einem Dach. „Bisweilen nehme ich die Tiere sogar mit in den Bürgerpark“, erzählte die ältere Dame. Ein Leben ohne Ratten kann sich die über 70jährige nicht mehr vorstellen.
Von Intelligenz und der unerhörten Sauberkeit der neuerdings salonfähigen Haustiere mußte an diesem Abend niemand überzeugt werden. Vielmehr wurde die Ignoranz vieler Mitbürger kritisiert. „Das ewige Igitt kann ich nicht mehr hören“, klagte Andreas Schröder, Mitbesitzer von zwölf Farbratten. In Wirklichkeit sei doch der vermeintlich nackte Rattenschwanz „ganz süß und wirklich weich“. Auch gebe es immer wieder Probleme mit den Vermietern. Oft müßten sie ihre Stubentiere als „chinesische Langschwanzhamster“ ausgeben, um nicht aus der Wohnung zu fliegen.
Sabine Komm, dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen