: Glücklich hirnverrückt
■ Die 19jährige Anke Huber gewann durch ein 6:4, 6:2 gegen die Französin Mary Pierce das Tennisturnier von Filderstadt
Berlin (taz) – Gar nicht gut ging es Anke Huber, nachdem sie in der 2. Runde der US Open Anfang September sang- und klanglos gegen Leila Meshki ausgeschieden war. Nur ein zweitklassiges Turnier in Österreich hatte sie 1994 gewonnen, mit ihrem Trainer und langjährigen Mentor Boris Breskvar hatte sie gerade endgültig gebrochen, und auch ihr Interimscoach, Vater Edgar, erwies sich in Flushing Meadows nicht gerade als Motivationsgenie. „Lahmes Kaffee-Tennis“ und „nacktes Elend“, lästerte er über die fruchtlosen Anstrengungen auf dem Platz und zeigte sich insgesamt nicht sehr glücklich über den Emanzipationsprozeß seines 19jährigen Töchterleins, ihre Liaison mit dem fröhlichen Ukrainer Andrej Medwedew und ihren plötzlichen Wegzug vom heimischen Herd.
Ein heftiger Absturz in der Weltrangliste wurde nach dem Debakel von New York allseitig prophezeit, zwecks Verhinderung desselben mußte alsbald ein neuer Trainer her. Das Team von Anke Hubers Manager Ion Tiriac brachte den Schweden Jörgen Windahl ins Gespräch, Vater Huber war einverstanden, und schließlich gab auch die Betroffene („hauptsächlich bestimme ich, wer kommt“) ihre Zustimmung zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit auf Probe.
Schneller als erwartet stellten sich die Erfolge ein. Halbfinale in Leipzig, jetzt der fast sensationell anmutende Sieg in Filderstadt, wo Anke Huber nicht nur in einem dramatischen Viertelfinale Martina Navratilova bezwang, sondern im Endspiel auch die Französin Mary Pierce, die bis dahin bei dem Turnier fast fehlerlos gespielt hatte. Mit 6:4, 6:2 setzte sich die Heidelbergerin souverän durch, kann den Porsche, den sie 1991 in Filderstadt gewann, nun gegen einen neuen eintauschen, was auch Autonarr Medwedew freuen wird, und von einer Rückkehr unter die Top ten sowie einer Teilnahme am Masters-Turnier der 16 besten Spielerinnen im November in New York träumen.
„Wenn das einer am Anfang der Woche gesagt hätte, hätte ich ihn für verrückt erklärt“, kommentierte Anke Huber voller Genugtuung ihren rasanten Durchmarsch von Filderstadt, wo sie die ganze Woche über nur eine unscheinbare Randfigur gewesen war, während die Schlagzeilen Navratilova, Pierce und der 14jährigen Martina Hingis gehörten. Pflichtschuldigst bedankte sie sich bei ihrer Familie, in der der Haussegen offenbar derzeit gerade hängt, und erklärte, daß sie überhaupt wieder viel Spaß am Tennis habe. Dafür spricht auch der Trainingsfleiß. „Die trainiert wie eine Hirnverrückte“, beobachtete Veranstalter Dieter Fischer, und Federation-Cup-Teamchef Klaus Hofsäß konstatierte erste technische Fortschritte durch Windahls Arbeit: „Der Aufschlag ist besser geworden.“
„Ich brauche jemanden, zu dem ich während des Matches schauen kann“, hatte Anke Huber nach der Trennung von Breskvar gesagt. In Filderstadt schaute sie noch abwechselnd zum Vater, der diesmal keinen Grund zu kleinen Schmähungen fand, und zum schwedischen Coach, der immer noch keinen festen Vertrag in der Tasche hat. Die Wahrscheinlichkeit, daß der alleinige Kristallisationspunkt der Huberschen Blicke während der Matches künftig Jörgen Windahl heißen wird, dürfte in der letzten Woche jedoch gehörig gestiegen sein. Matti
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